Im Land der Orangenbluten
dem er zu sitzen pflegte, während Julie mit den Kindern arbeitete, ertönte dann ein höllisches Geraschel, worauf die Kinder gleich aufsprangen und in ein dichtes Gebüsch am Rand des Gartens huschten. Kam dann tatsächlich einer der Aufseher am Garten vorbei, sah er im Schatten unter dem Mangobaum nur noch Julie.
Mura war ebenfalls nicht ganz wohl bei diesem Versteckspiel. Wenn schon nicht den Kindern, ihr würde sicherlich eine Strafe blühen. Aber die Besuche bei der Misi taten den Kindern gut, sie hatten so schnell einen Narren an Julie gefressen – und den Wunsch der Misi konnte sie schließlich auch nicht ausschlagen.
»Amru, warum wollen die Weißen eigentlich nicht, dass die Sklaven lesen und schreiben?« Kiri hatte sich schon oft darüber Gedanken gemacht, so schlimm konnte das doch eigentlich nicht sein.
Amru zuckte nur mit den Schultern und polierte weiter einen großen, kupfernen Topf auf ihrem Schoß. »Wahrscheinlich haben sie Angst, dass wir gar nicht so dumm sind, wie sie im Allgemeinen denken.«
»Aber es gibt doch auch Sklaven, die es dürfen, oder?«
In der Stadt waren Kiri einige Farbige aufgefallen, die mit Schreibmäppchen unter dem Arm über die Straßen gehastet waren.
Amru seufzte. »Das sind dann aber keine reinen Schwarzen, Kiri. Sobald ein Farbiger das Blut des Weißen in sich trägt, hält der Weiße ihn auch für wohlgefälliger. Und je heller die Haut, desto eher zeigt sich tatsächlich die Neigung, den Weißen wohlgesinnt zu sein. Schau dir doch nur mal die Basyas an.«
Ja, Kiri wusste, dass die Mulatten dazu neigten, sich als etwas Besseres zu fühlen als die tiefschwarzen Sklaven. Obwohl ihre Herkunft selbst mehr als zweifelhaft war. Was sie auf ein anderes Thema brachte. Jetzt, wo sie mit Amru allein war, wollte sie die Frage stellen, die sie schon so lange beschäftigte.
»Amru?« Amru ließ den Putzlappen sinken. Manchmal war ihr die Fragerei von Kiri schon fast zu viel. Kiri zögerte kurz, sie musste es aber wissen. »Neulich ... nachts ... du weißt schon ...«
Amru zog die Augenbrauen hoch.
Kiri senkte verlegen den Blick, sie wusste, dass sie über solche Ereignisse auf keinen Fall sprechen durfte. Zu groß die Gefahr, dass jemand davon hörte, für dessen Ohren es nicht bestimmt war. Aber sie musste unbedingt wissen, wer der junge Mann gewesen war, der Tänzer.
Sie hatte tagelang im Sklavendorf Ausschau gehalten, welcher der Jungen es wohl gewesen sein konnte. Allmählich kannte sie alle Bewohner des Dorfes und dieser geheimnisvolle junge Mann war definitiv nicht dabei, so weit war sie sich sicher. Zumal die auffälligen Tätowierungen ein untrügliches Zeichen waren.
»Der eine Tänzer, der mit den Tätowierungen ... weißt du?«, flüsterte sie schließlich.
Jetzt grinste Amru über das ganze Gesicht.
»Ah, die kleine Kiri interessiert sich für Männer, wird auch Zeit, aus dem Kinderröckchen bist du ja inzwischen schon raus.«
Kiri war die Situation jetzt sehr peinlich.
Amru lächelte fast zärtlich. »Aber den schlag dir mal aus dem Kopf, Kiri«, sagte sie sanft und widmete sich wieder ihrem Topf.
Kiris Neugier aber war noch nicht befriedigt. »Warum?« Vielleicht würde Amru ja doch was verraten.
Amru ließ den Topf sinken und lehnte sich verschwörerisch zu Kiri herüber. »Den Burschen darfst du nicht mal gesehen haben, hörst du!«
»Was ist denn mit ihm?«, wagte Kiri noch zu fragen, bevor ihr selbst ein Gedanke kam, »er kommt nicht von dieser Plantage, oder?«
»Ja, eben.« Amru sprach noch leiser als zuvor. »Dany ist ein freier Sklave, ein Buschneger, ein Maroon! Die Weißen oder die Aufseher würden ihn erschießen, wenn sie herausbekämen, dass er sich ohne Erlaubnis nachts auf dem Plantagengrund aufgehalten hat.«
Ein Maroon? Kiri schossen Bilder von brennenden Hütten in den Kopf, und einen kurzen Moment meinte sie sogar, die Schreie der Dorfbewohner zu hören. Seit damals auf Heegenhut ... machten Maroons ihr Angst. Dann besann sie sich. Sie war nun weit, weit von dem Gebiet entfernt, wo die Maroons damals die Plantage überfallen hatten. Dieser Dany kam sicherlich aus einem friedliebenden Stamm.
Kapitel 13
Julie lernte, Karls aufbrausendes Temperament durch ihr Verhalten zu beschwichtigen. War er auf der Plantage, spielte sie die brave Ehefrau, versuchte den Anschein zu erwecken, sie hätte inzwischen die Verwaltung des Haushaltes vollständig übernommen, betrieb freundliche, kurze Konversation mit ihm und lag bei seinen
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