Im Land der Orangenbluten
ihren elterlichen Hütten verschwanden, stand auch Julie auf und verabschiedete sich von Mura.
»Ich hoffe, ich darf wiederkommen?«, fragte sie lächelnd.
»Misi darf jederzeit kommen«, sagte Mura strahlend und vergaß dabei ganz, den Blick gen Boden zu senken.
»Bist du verrückt? Du setzt dich zu den Sklaven?« Karl tobte, als er nach seiner Rückkehr aus der Stadt von seinen treuen Aufsehern erfuhr, was seine Frau während seiner Abwesenheit getrieben hatte. Sie saßen zu Tisch, und Karl stürzte ärgerlich ein Glas Dram hinunter, das dritte oder vierte. Aiku wurde nicht müde, Karls Glas umgehend wieder aufzufüllen. »Das lässt du bleiben, ich will dich im Sklavendorf nicht mehr sehen, und wehe ...«, donnerte er und sah sie wütend an.
»Was dann?«, unterbrach Julie ihn mit fester Stimme. Sie hatte eine solche Reaktion befürchtet, war es inzwischen aber leid, sich auf der Plantage wie eine Gefangene behandeln zu lassen. »Willst du mich dann an den Baum hängen und auspeitschen lassen?« Verärgert warf sie ihre Serviette auf den Teller, ihr war der Appetit mal wieder vergangen.
Karls Gesicht wurde rot vor Zorn. Dann trat plötzlich ein gefälliges Lächeln auf sein Gesicht, und er neigte sich drohend zu Julie. »Aber deine Kiri wird dafür büßen müssen. Es ist dir doch wichtig, dass sie nicht zu Schaden kommt, oder? Also ist es besser, wenn du mich nicht verärgerst.« Damit stand er auf. »Nicht wahr, Mädchen?« Er warf Kiri, die neben der Tür stand, wo sie während des Essens auf ihre Misi zu warten hatte, einen scharfen Blick zu. »Du wirst schon Acht geben, dass deine Misi keine Dummheiten macht«, sagte er höhnisch, bevor er den Raum verließ.
Julie blieb entsetzt sitzen. Kiri stand mit gesenktem Blick da und schluchzte leise.
Natürlich wollte Julie nicht, dass Kiri sich in Gefahr begab. Sie hatte ihr schließlich versprochen, ihr Schutz zu gewähren, und bisher war ihr das auch ganz gut gelungen. Nicht ein Mal hatte ihre Leibsklavin noch an den Baum gemusst. Aber sie wusste nicht, was passieren würde, wenn Karl Kiri befragen würde. Kiri würde ihren Masra wohl kaum anlügen.
Es war schließlich Karl selbst, der Julie auf eine Lösung brachte. Seine Abwesenheit von Dienstag bis Donnerstag brachte ihr einen gewissen Freiraum. Sie schickte Kiri also mittwochs bereits früh zu Amru, die wiederum Mura angewiesen hatte, die Kinder am Vormittag in den Garten nahe dem Haus zu führen. Dort, im Schatten der großen Mangobäume, trafen sie sich dann mit Julie. Hier waren sie auch sicher vor den Aufsehern, die es während der Arbeitszeit selten von den Feldern oder gar in die Nähe des Hauses zog. Von Amru und den anderen Hausmädchen wiederum hatte Julie nichts zu befürchten. Amru sorgte dafür, dass keiner der Sklaven sah, was dort geschah.
Kiri war ebenfalls in Sicherheit, sie hatte bei Amru genug zu tun. Julie selbst war mit dieser Lösung zufrieden und hatte auch zunächst kaum Bedenken, dass Karl etwas davon erfahren könnte. Sie schluckte die Angst vor ihm hinunter. Wenn sie sich nicht ein bisschen eigenes Leben bewahrte, wo würde das hinführen?
Allerdings hatte sie dabei vergessen, dass auch Martina früher oder später wieder auf die Plantage zurückkehren würde.
Kiri waren die Tage, in denen der Masra abwesend war, nicht geheuer. Zu groß war ihre Angst, dass der Masra doch herausfinden würde, was die Misi währenddessen so trieb.
Amru beschwichtigte das Mädchen. »Wenn du hier sitzt, kannst du schließlich nicht wissen, was die Misi gerade macht.« Sie lächelte verschwörerisch. »Und die Misi hat dir ja selbst befohlen, hier bei mir zu sein.«
Kiri hoffte inständig, dass der Masra das auch so sah, wenn er es denn eines Tages doch herausfinden würde.
Amru schien das Ganze Spaß zu bereiten. Dass die Misi sich hinterrücks gegen den Masra auflehnte, hob sie deutlich in der Gunst der Sklaven. Ihre Mittwochstreffen mit Mura und den Kindern hatten zu Erleichterung im Sklavendorf geführt, auch wenn einige der Mütter sich Sorgen machten, dass auch ihre Kinder eine Strafe erwartete, wenn der Masra es herausfand. Amru beschwichtigte die Frauen: Die Misi würde schon aufpassen, dass den Kindern nichts geschah.
Als nützlicher Helfer hatte sich auch der Papagei erwiesen. Nico hegte eine große Abneigung gegen Männer und insbesondere gegen die Aufseher. Erspähte er einen von ihnen auch nur von Weitem, quittierte er dies mit hektischem Flügelschlag. Aus dem Mangobaum, auf
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