Im Land der Orangenbluten
tagelange Reise flussauf- und -abwärts begeben hatten, um die Briefe zu ihren Empfängern zu bringen.
Bei ihrer Rückkehr hatten sie einen stattlichen Stapel an Zusagen im Gepäck. Bei dem Gedanken, bald so viele Menschen auf Rozenburg unterbringen zu müssen, wurde Julie ganz flau im Magen. Martina schmollte immer noch, da Karl keinen Millimeter von seiner Forderung abwich, Julie solle die Hochzeit organisieren. Nun waren immerhin die Einladungen verteilt, trotzdem blieb noch viel zu tun.
Julie kritzelte lustlos auf einem Blatt Papier herum, das eigentlich mit Notizen zum Hochzeitsessen versehen werden sollte. Nachdem Amru ihr aber ausführlich ihre Pläne dazu dargelegt hatte, hatte Julie auch hier nicht mehr viel zu tun. Und selbst wenn – würde sie es aufschreiben, müsste sie es Amru sowieso vorlesen. Julie hatte keinerlei Erfahrung in diesen Dingen, und außerdem war Martinas Schweigen in ihre Richtung auch keine große Hilfe.
Über die Bewirtung der Hochzeitsgäste machte sich Julie die wenigsten Sorgen. Amru hatte den Überblick. Alles in allem kümmerten sich viele stille Helfer um das Geschehen. Julie war froh darüber – und den Haussklaven sehr dankbar, dass sie so geschlossen hinter ihr standen. Es schien ihnen nichts auszumachen, dass ihre Herrin sich nicht so einbringen konnte, wie sie es hätte tun sollen. Als Vermittlerin fungierte Kiri. Sie brachte Julie immer auf den neuesten Stand, den Julie dann Karl berichten konnte, so hatte es wenigstens den Anschein, als hätte sie den Überblick. Karl nickte meist zufrieden und ließ Julie gewähren.
Wie so häufig fühlte Julie sich jetzt auf der Veranda vor ihrem Blatt Papier einsam, sie sehnte sich nach einem Gesprächspartner. Nicht nach irgendeinem, musste sie sich eingestehen ... Wenn Herr Riard doch endlich wiederkommen würde! Allein der Gedanke an ihn machte sie glücklich, sie sehnte sich danach, mit ihm auf der Veranda zu sitzen, sehnte sich nach den tiefgreifenden Gesprächen mit ihm. Sie hoffte auch im Stillen, dass er vielleicht einen Rat wusste in Bezug auf die verzwickte Lage auf der Plantage. Und doch waren ihre Gefühle zwiegespalten, hatte sich seit dem letzten Besuch etwas verändert. Sie strich sich mit der einen Hand über die andere, als könnte sie die kurze prickelnde Hitze auf der Haut, die seine Berührung hervorgerufen hatte, wieder herbeizaubern. Julie lehnte sich zurück und dachte an seine sanften Augen.
Aber der Buchhalter hatte sich nach seinem letzten Besuch kurzfristig für den folgenden Termin entschuldigen lassen und nun, in der großen Trockenzeit, war nicht ganz so viel zu tun, der Besuch des Buchhalters war nicht zwingend erforderlich. Julie hatte gehofft, ihn vielleicht zum Jahreswechsel in der Stadt treffen zu können, aber Karl hatte die Reise der Familie dorthin abgesagt, da Martina schwer mit der Schwangerschaft zu kämpfen hatte. Dauernde Übelkeit, stetiges Erbrechen – sie sah inzwischen aus wie ein Gespenst.
»In diesem Zustand kannst du sowieso auf keinen Ball gehen«, hatte Karl geknurrt.
Martina, die sonst jede Gelegenheit für einen Aufenthalt in der Stadt nutzte, hatte die Entscheidung ohne Murren hingenommen. Die meiste Zeit verbrachte sie in ihrem Zimmer, umsorgt von der fleißigen Liv, die insgeheim froh schien, dass ihre Herrin durch die Schwangerschaft etwas umgänglicher geworden war. Oder, besser gesagt, nicht mehr so viel Kraft hatte, ihre schlechte Laune an ihrer Leibsklavin auszulassen. Zwar schrie sie Liv immer noch häufig an und marterte das Mädchen mit Beschimpfungen, aber die Bestrafungen durch den Stock der Aufseher hatten deutlich abgenommen – Martina kam ja auch die meiste Zeit kaum bis in die untere Etage, geschweige denn vor die Haustür.
Karl hingegen setzte sich weiterhin jede Woche in die Stadt ab, was Julie inzwischen ärgerte.
Sie war jetzt fast ein Jahr auf der Plantage, nie hatte er auch nur gefragt, ob sie vielleicht mit in die Stadt wollte. Und Martina, die vor ihrer Schwangerschaft die eine oder andere Woche bei ihrer Tante verbracht hatte, kam für Julie als Gesellschaft nicht in Frage. Lieber hätte sie sich auf die Zunge gebissen, als Martina zu fragen, ob sie sie begleiten dürfte.
Wie gerne hätte sie noch einmal die Stadt besucht ... oder aber auch eine Plantage in einem anderen Teil des Landes. Aber viel mehr als Rozenburg, das Stadthaus und die nächsten Nachbarplantagen kannte Julie noch nicht. Sie hatte gehört, dass die Landschaft in anderen
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