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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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später darüber nachdenken. Jetzt wollte sie erst mal aus ihrem zerknitterten Reisekleid heraus und etwas essen. Die Kost auf dem Ruderboot war von Amru zwar umfangreich zusammengestellt worden. Aber in Martinas und Pieters Beisein hatte Julie die ganze Fahrt über kaum einen Biss herunterbekommen.

Kapitel 6
    Erika bekam schnell Anschluss zu den Frauen der Holzfäller, auch wenn diese auf den ersten Blick etwas grobschlächtig und robust anmuteten. Aber gerade Resa Müller, eine korpulente Frau jenseits der Fünfziger, hatte es Erika mit ihrer resoluten mütterlichen Art angetan. So kam es auch, dass Erika den kleinen Reiner gerne ab und zu bei Resa ließ, während sie sich um die Kinder der van Drags kümmerte. Die Stimmung im Haus war angespannt. Frieda van Drag stand kurz vor der Niederkunft.
    Jette, ihre treue Leibsklavin, äußerte Erika gegenüber inzwischen fast täglich ihre Besorgnis, dass es bei der Geburt Komplikationen geben könnte. Jette hatte nach Erikas Informationen fast allen Geburten im Hause van Drag beigewohnt, jetzt schätzte sie jeden Tag die Bedingungen derer, die gut ausgegangen waren, gegen die der missglückten Geburten ab. Erika fragte sich insgeheim, ob es überhaupt gesund sein konnte, so viele Kinder zu gebären. Sicherlich war es gottgefällig, aber wenn sie sich so an ihre eigene Schwangerschaft erinnerte ... Diesen Zustand über so viele Jahre durchgängig zu erleben, konnte sie sich nicht vorstellen. Auch Resa äußerte Bedenken. Sie lebte schon ein paar Jahre auf Bel Avenier und verfolgte das Geschehen im Haus mit Sorge. »Immer mehr Kinder, die sich kaum bändigen lassen ... und die Frau sollte aufpassen, dass sie ihre Kinder nicht zu Halbwaisen macht. So eine Geburt, hier draußen weit ab ... Die Negerhebamme versteht zwar ihr Handwerk, aber man weiß ja nie.«
    Alle Bedenken waren jedoch umsonst. Frieda van Drag traf schließlich das Glück der raschen und problemlosen Geburt. Erika war froh, sie gesund und munter in ihrem Bett vorzufinden, die kleine rosige Gemma in ihren Armen. Frieda van Drag strahlte, gleichzeitig umflorte ein dunkler Schatten ihre Augen. »Ist sie nicht süß? So ein Glück.«
    Die Hausherrin sollte, wie es für weiße Damen unumgänglich war, noch mindestens sechzehn Tage das Bett hüten, ein Umstand, der Erika bis dato fremd gewesen war. Sklavenfrauen und Arbeiterinnen bekamen gerade einmal drei Tage Pause nach der Geburt zugesprochen, bevor sie sich wieder zur Arbeit zu melden hatten, und auch sie selbst hatte es nicht lange im Wochenbett ausgehalten. Schließlich war sie ja nicht krank gewesen.
    Warum sich Friedas Zustand dieses Privilegs zum Trotz nach einigen Tagen jedoch verschlechterte, vermochte Erika nicht zu sagen. Eines Abends kam Jette mit besorgtem Gesichtsausdruck zu Erika.
    »Misi Erika, Sie doch haben Erfahrung mit Krankheiten?« Als Erika bejahte, führte Jette sie in das Schlafzimmer der Hausherrin. Diese lag scheinbar schlafend im Bett, bei genauer Betrachtung erkannte Erika jedoch den ungesunden fiebrigen Glanz ihrer Haut. Besorgt warf sie schnell einen Blick in das Körbchen, in dem die kleine Gemma schlief. Das Baby war bereits kurz nach Geburt einer schwarzen Amme übergeben worden, an deren vollen Brüste es auch stets genüsslich nuckelte. Das Kind sah wohlgenährt und gesund aus.
    »Misi, schauen Sie bitte.« Jette schlug vorsichtig die leichte Bettdecke zurück, und Erika erschrak. Die Beine von Frieda van Drag waren rot und prall geschwollen.
    »Filariose?«, fragte Jette mit Tränen in den Augen.
    Erika nickte verdrossen. Man brauchte kein Arzt zu sein, um die beiden gefürchtetsten Krankheiten des Landes zu erkennen. Neben Lepra war die Filariose wohl die größte Geißel der Region, Erika hatte in der Krankenstation einige betroffene Patienten behandelt. Die Krankheit bedingte fürchterliche Schwellungen der Beine, auch Bimba-Beine genannt, die einen Menschen schrecklich entstellten und seine Beweglichkeit extrem einschränkten. Ganz abgesehen von den schweren Fieberschüben, die den Kranken mehrmals im Jahr auszehrten. Man konnte die Krankheit lindern, aber eine Heilung war unmöglich. Frieda van Drag würde nie wieder genesen, das war Erika sofort klar. Sie wies Jette an, kalte Wickel zu besorgen und ließ Gemma zu ihrer Amme bringen. Die Übertragung von Mensch zu Mensch war zwar unwahrscheinlich, man vermutete die Mücke als Verursacher der Krankheit, aber Erika wollte kein Risiko eingehen.
    Auch Ernst van Drag zeigte

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