Im Land der Orangenbluten
eigentlich nur recht sein, wenn seine Sklaven zu gottgefälligen und eifrigen Menschen erzogen werden.« Fast hätte Julie das Wort Bildung benutzt. Bildung war aber im Bezug auf die Sklaven undenkbar. Sie wollte Pieter nicht noch mehr provozieren.
»Und Pieter, wie du vielleicht bemerkt hast, war ich schon lange nicht mehr im Sklavendorf.« Natürlich war Julie im Sklavendorf gewesen, aber inzwischen achtetete sie darauf, dass weder Pieter noch Martina es merkten.
Pieter schien jedoch sehr genau zu wissen, wo er Julie treffen konnte und hackte weiter auf dem Thema herum. »Ich wollte es Karl ja erst nicht erzählen, wahrscheinlich auch eher eine Nebensächlichkeit.« Er machte eine betont abfällige Handbewegung. »Aber gewundert habe ich mich schon, als ich neulich zwei Negerkinder erwischte, die so etwas wie Buchstaben in den Sand kritzelten. Vielleicht sollte ich es ihm doch ... Na ja, Karl lässt es ja auch etwas schleifen mit den Sklaven. Wenn ich und Martina erst mal verheiratet sind, wird er mir mehr Verfügungsgewalt zuteilwerden lassen. Mir – als seinem potenziellen Nachfolger. Dann werden hier andere Seiten aufgezogen ...«
Julie schnappte empört nach Luft. »Wenn hier noch jemand Verfügungsgewalt hat, dann ja wohl ich!«
Pieter lachte gehässig. »Ach, Juliette, wie traurig, dass du den Tatsachen nicht ins Auge siehst. Du als Frau, als kinderlose Frau, was willst du hier auf der Plantage schon ausrichten?« Sein sarkastischer Unterton war nicht zu überhören. »Die Zukunft gehört mir und Martina. Karl ist ja auch nicht mehr der Jüngste und wenn er eines Tages ... wir werden dich später hier leben lassen, als Schwiegermutter«, er machte eine großmütige Geste. »Oder willst du vielleicht lieber zurück nach Europa?«, fragte er lächelnd, bevor seine Stimme scharf wurde: »Aber die Plantage wird an uns gehen. Du – zudem noch jung und unerfahren – wirst die Plantage wohl kaum leiten können.«
Jetzt reichte es Julie, was bildete sich dieser Mann überhaupt ein? Spitz konterte sie: »Ach, Pieter, wie nett von dir, dass du mich versorgen würdest. Aber bis jetzt bist du nicht mal mit Martina verheiratet. Und unter Umständen könnte es auch sein, dass es gar nicht dazu kommt.« Sie zwang sich, ihn mit einem festen Blick zu fixieren. »Was glaubst du, Pieter, würde Martina wohl dazu sagen, wenn sie hört, dass du die Zeit ihrer Schwangerschaft mit kleinen Sklavenmädchen überbrückst?« Allein der Gedanken verursachte ihr wieder Übelkeit, aber Julie wusste, dass sie jetzt nicht nachgeben durfte. Sie hatte ihren Trumpf ausgespielt. Als Pieters Gesichtszüge für einen kurzen Moment entglitten, wusste Julie, dass sie ihn in der Hand hatte.
Er schnaubte. »Das ist ja wohl mehr als eine unverschämte Unterstellung.«
Julie spürte seine unbändige Wut und sah wieder auf ihre Papiere vor sich auf dem Tisch. Jetzt nur nicht ins Wanken geraten! Sie holte Luft und sagte so ruhig und bestimmt wie möglich: »Ach, neulich, als nachts die Schweine ausbrachen ... Pieter ... ein guter Kontakt zu den Sklaven hat auch seine Vorteile. Man sieht und hört so einiges, was Plantagenbesitzer sonst nicht erfahren.« Sie spürte, dass ihre Worte ihre Wirkung nicht verfehlten und machte noch einmal eine kleine Pause, in der sie Mut sammelte: »Und dass du es weißt«, sagte sie, während sie ihn mit ihrem Blick fixierte, »wenn mir noch ein Mal zu Ohren kommt, dass ... werde ich mit Martina und mit Karl sprechen. Deine schöne Zukunft hier auf Rozenburg wird sich dann in Luft auflösen.«
Pieter war knallrot vor Wut, und er fixierte sie mit brennendem Blick. »Soll das jetzt eine Erpressung werden?«, schnaubte er.
»Nenn es einen guten Rat«, erwiderte Julie so gelassen wie möglich.
Sie hoffte, er würde jetzt klein beigeben – aber im Gegenteil, sie hatte seine Wut erst recht angestachelt. In seinen Augen erkannte sie das Verlangen, sie zu vernichten, als er näher an sie herantrat: »Ach, aber wo wir gerade dabei sind, was glaubst du eigentlich, was dein Karl drei Tage in der Woche in der Stadt treibt?« Er hielt kurz inne, und in Julie wuchs der Drang, davonzulaufen, stattdessen musste sie dem lauschen, was Pieter dann sagte: »Dass er sich da, wie fast alle Männer, eine schwarze Hure hält, weil sein Frauchen daheim ihm nicht geben kann, wonach ihn verlangt, das weißt du wohl nicht?«
Julie war geschockt. Instinktiv riss sie sich jedoch mit all ihrer Kraft zusammen, um nicht wirklich überrascht
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