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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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regierte inzwischen das Geld. Die Männer der Oayanas arbeiteten manchmal als Lotsen für größere Schiffe und als Bootsführer für kleinere Transporte und ließen sich ihre Ortskenntnisse gut bezahlen, bevor sie wieder in den Tiefen des Regenwaldes verschwanden. Wenn nicht gerade die Buschneger dazwischenkamen, die die Hoheit auf den Flüssen an sich gerissen hatten. Es war ein Konkurrenzdenken, welches die Eingeborenen erst schmerzhaft hatten erlernen müssen, das hatte Jaminala mehr als einmal angedeutet.
    Als sie endlich in der Stadt ankamen, schmerzte Erikas ganzer Körper. Während die Eingeborenen sofort die Marktstraßen nahe dem Hafen ansteuerten, stand Erika einige Zeit ratlos am Anleger, in ihrem alten zerschlissenen Hauskleid, ihr kleines Bündel mit den wenigen Habseligkeiten unter einem Arm, an der anderen Hand Reiner, der aufmerksam alles um sich herum beobachtete. Er war bei ihrer Abreise aus der Stadt noch ein Baby gewesen. Er konnte sich vermutlich nicht einmal an sein Leben auf der Plantage erinnern.
    Jetzt zog er ungeduldig an der Hand seiner Mutter. Erika gab sich einen Ruck, setzte sich Reiner auf die Hüfte und ging in Richtung Missionsstation. Als sie sich den Gebäuden näherte, überkam sie wieder die Angst, man könnte in der Stadt von den Geschehnissen auf Bel Avenier gehört haben. Sie verlangsamte ihre Schritte und ließ Reiner auf seine eigenen Füße. In diesem Moment trat Dodo, eine der Sklavinnen der Station, mit einem Korb in der Hand um eine Hausecke. Sie blieb stehen und stutzte. Dann ließ sie den Korb fallen und stürzte auf Erika zu. Reiner fing vor Schreck an zu weinen und versteckte sich hinter Erikas Beinen.
    »Misi Erika, Misi Erika.« Ihre Rufe machten sogleich andere Bewohner der Station neugierig, einige kamen aus den Türen und schauten nach, was Dodo so in Aufregung versetzte.
    Dodo erfasste Erikas Hand und schüttelte sie unter ständigen Verbeugungen. Erika war das furchtbar unangenehm. »Dodo, ist ja gut ... nun lass doch«, sagte sie beschwichtigend, während sie sich mühte, Reiner zu beruhigen.
    »Misi Erika mitkommen, hat Misi Erika Hunger? Oh! Das Masra Reiner? Sehr groß geworden.« Dodo schob Erika mit einem Wortschwall in Richtung des Haupthauses. Hinter ihnen bildete sich eine kleine Traube Menschen, die neugierig auf Erika schauten. Erika erkannte allerdings keines der Gesichter.
    Die Sklavin eilte sich, Erika und Reiner an einen Tisch zu geleiten und ihnen einen Teller mit Essen vorzusetzen. »Dodo, nun warte doch mal. Dodo!«
    Erst als Erika sie scharf ansprach, hielt Dodo verwundert inne. »Misi?«
    »Wo ist denn die Misi Josefa?«
    Josefa Bürgerle war Erika zwar nie eine Freundin gewesen, aber immerhin hatten sie durch ihre gemeinsame Reise nach Surinam und die Monate in der Missionsstation ein dünnes Band geknüpft.
    »Oh.« Dodo senkte den Blick. Erika ahnte nichts Gutes.
    »Masra Walter ... es gab einen Unfall.« Dodo tupfte sich mit ihrer fleckigen Schürze eine Träne aus dem Augenwinkel. »Misi Josefa war ganz krank vor Trauer, hat ein Schiff genommen zurück in Heimat.«
    Das überraschte Erika in der Tat. Sie hatte fest damit gerechnet, hier alles beim Alten vorzufinden. »Und wer kümmert sich jetzt um die Krankenstation?«
    »Ah! Mit Schiff, womit gegangen Misi Josefa in Heimat Misi Klara ist angekommen. Soll ich holen Misi Klara? Misi Klara gute Krankenschwester.«
    Erika schüttelte nur den Kopf und zog Reiner auf ihren Schoß. Gierig fasste das Kind nach den Brotfladen auf dem Teller, und auch Erikas Magen meldete sich knurrend. »Warte, bis ich gegessen habe. Dann komme ich mit zu Misi Klara.« Dankbar biss sie in das Brot, das die Sklavin ihr reichte.
    Klara Decker war hoch aufgeschossen wie ein Baum, hatte kupferfarbenes Haar und eine Stimme, die Wände zum Beben brachte. Erika hatte diese Frau bei ihrer ersten Begegnung einen Moment sprachlos angestarrt, bevor sie ihre Stimme wiedergefunden hatte. Klara selbst war wortkarg, die Begrüßung war mehr als knapp ausgefallen. Dennoch gelang es Erika nach ein paar Tagen, ihr Informationen zu entlocken über das, was in der Mission geschehen war. Mit einem Achselzucken kommentierte Klara die Abreise von Josefa und dreier weiterer Missionsbrüder.
    »Ich verstehe das gar nicht.« Klara rückte während des Gesprächs die klapprigen Betten in der Krankenstation zurecht. Dass in einem noch ein alter Sklave lag, der sich von unzähligen Bissen einer kleinen angriffslustigen Spinne erholte,

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