Im Land der Orangenbluten
Verwechslung sein. Es ist alles in Ordnung«, sagte Julie schnell.
Marie wusste anscheinend nicht, dass Julie schon seit längerer Zeit nicht mehr auf der Plantage war. Julie zwang sich, noch eine kurze belanglose Plauderei mit Marie Marwijk zu führen, und eilte dann zurück zum Stadthaus. Der Gedanke an die Plantage ließ sie nicht los. Was war auf Rozenburg los? Kurz erwog sie, ihre Reisepläne über den Haufen zu werfen und lieber sofort zur Plantage zurückzukehren. Aber wenn es dort ernsthafte Probleme gegeben hätte, hätte man sie doch wohl benachrichtigt? Andererseits: Selbst wenn es Probleme gab, was sollte sie schon ausrichten, Pieter hatte sie in der Hand. Sie wollte Rozenburg retten, aber dazu brauchte sie Hilfe. Sie würde erst Jean suchen und danach gleich weiter nach Rozenburg reisen.
Im Stadthaus packte Foni bereits Julies Sachen. Der Stapel Gepäck war größer, als Julie gedacht hatte. »Foni, das kann ich nicht alles mitnehmen!« Julie schaute in die Taschen. »Hier, etwas Leibwäsche und ein Kleid zum Wechseln, das muss reichen.«
»Misi, nur ein Kleid?« Foni schüttelte verständnislos den Kopf.
»Ich fahre doch nicht auf eine Vergnügungsfahrt.«
Julie zog die wenigen Dinge, die sie mitnehmen wollte, aus dem Gepäck und wies Foni an, die restlichen Sachen wieder wegzupacken. Als sie dann vor dem kleinen Bündel stand, welches für einige Wochen ihr ganzes Hab und Gut sein würde, wurde ihr selbst kurz angst und bange. Sie war zwar nicht unbedingt auf Luxus aus, aber dieses Gepäck war wirklich spartanisch.
Zwei Tage später stand Julie am Hafen bereit. Wico verstaute ihre kleine Gepäcktasche unter einer der Sitzbänke des Bootes und wies ihr dann einen Platz im Heck zu.
Erika und Suzanna waren mit zum Hafen gekommen, um die Reisenden zu verabschieden. Auf ihren Gesichtern spiegelte sich gleichwohl der Unmut über Julies Unternehmung. Beide verkniffen sich aber weitere Kritik. Suzanna war inzwischen bewusst, dass Julies Mission im Sinne der Plantage lag, und Erika konnte nicht viel argumentieren. Sie hatte ja selbst eine wagemutige Reise gemacht, um ihren Mann zu finden.
Ihnen allen gemeinsam war die Hoffnung, sich schon bald wohlbehalten wiederzusehen.
Kapitel 12
Amru sprach kein Wort mehr. Kiri machte sich ernsthaft Sorgen um die Haussklavin. Seit ihr Mann gestorben war, gefoltert am Baum, auf Anweisung von Masra Pieter, verrichtete sie ihre Arbeit nur noch gleichmütig, sprach mit niemandem ein Wort und ignorierte die weißen Herrschaften. Kiri hoffte, dass sich Amru nicht noch den Unmut von Masra Pieter zuzog. Auch die Kinder litten darunter. Masra Henry und Masra Martin sahen in Amru wohl so etwas wie eine Großmutter, die immer ein nettes Wort für sie hatte oder ihnen die Münder oder Finger abwischte. Seit Jenk nicht mehr lebte, ging Amru an den Kindern vorbei, als wären sie unsichtbar. Masra Henry begann des Öfteren zu weinen, wenn er seine Ärmchen nach Amru ausstreckte, sie aber an ihm vorbeiging, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
Auch das Verhältnis zwischen Masra Pieter und Misi Martina hatte gelitten. Sie stritten kurz nach dem Vorfall noch einmal lautstark, seitdem schwiegen sie sich an. Misi Martina verkroch sich mit dem kleinen Masra Martin meistens in ihren Zimmern und kam nur hervor, wenn Masra Pieter auf den Feldern oder in seinen Räumen im Gästehaus war. Die Stimmung auf der Plantage war sehr bedrückend.
Dann wurde Misi Martina krank. Fieber! Kiri und Liv gaben sich alle Mühe, es ihrer Misi so bequem wie möglich zu machen. Alle paar Stunden erneuerten sie die kalten Wickel und versuchten, die Luft im Zimmer der Misi so kühl wie möglich zu halten. Als Masra Pieter davon erfuhr, war er sehr ungehalten. Er kam in das Zimmer seiner Frau und schimpfte: »Bist du jetzt schon genauso verweichlicht wie das Negerpack?« Die Misi brach in Tränen aus. Dann schnauzte er Kiri und Liv an, die neben dem Bett gewacht hatten: »Sitzt da nicht so dumm rum, bewegt euch, habt ihr nichts anderes zu schaffen?«
Betroffen verließen sie sofort den Raum. Erst als Masra Pieter aus dem Haus war, trauten sie sich wieder in das Zimmer der Misi. Diese lag verweint in ihrem Bett.
»Liv, Kiri, kommt her.« Verwundert hockten die beiden sich neben das Bett. »Hört mir jetzt gut zu«, sagte Misi Martina leise. »Wir müssen fort von hier, in die Stadt, am besten noch heute Nacht. Pieter ... ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist«, schluchzte sie, »aber ich habe große
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