Im Land der Orangenbluten
melden?«
Ja, Julie hatte darüber nachgedacht, die entsprechenden Erklärungen aber immer schnell verworfen. Nicht ohne Grund. »Da war doch noch alles anders zu der Zeit! Er weiß ja gar nichts.«
Erika verschränkte die Arme und schaute Julie durchdringend an. »Bist du dir sicher? Ich meine ... dass er heute immer noch mit dir ...«
Julie kamen die Tränen. Erika sprach genau das aus, was sie seit Monaten befürchtete. Dass er sie gar nicht mehr wollte, dass er genau deswegen gegangen war ... »Ja! Er wollte sein Leben mit mir verbringen, das hat er gesagt. Und jetzt könnten wir zusammen sein, also werde ich ihn suchen.«
Trotzig drehte Julie auf dem Absatz um und verließ die Krankenstation. Wütend lief sie Richtung Hafen. Nach und nach wurde ihr jedoch bewusst, dass sie eigentlich nicht auf Erika böse war, die meinte es schließlich nur gut. Sie war eher wütend auf sich selbst, denn der Gedanke, dass sie einer Wunschvorstellung nachjagte, hielt sich hartnäckig in ihrem Hinterkopf. Andererseits würde sie Genaues nur herausfinden, wenn sie Jean endlich fand. Sie musste zu den Goldflüssen. Und das so schnell wie möglich. Julie winkte nach einer Mietdroschke und ließ sich zu Suzannas Haus bringen.
»Da können Sie nicht hin!« Wico lachte. »Wirklich nicht. Wie stellen Sie sich das vor?«
Julie ließ den Einwand nicht gelten. Es war ein hartes Stück Arbeit gewesen herauszufinden, wo Jean war, sie würde sich jetzt, so kurz vor dem Ziel, nicht aufhalten lassen. »Wico, du weißt doch, wo Jean ist, du könntest mich hinführen. Ich bezahle das auch!«, sagte Julie schnell, obwohl sie im Moment nicht wusste, woher sie das Geld nehmen sollte. Sie hatte nicht mehr viel, Pieter hielt sie knapp, und ihre Ersparnisse hatte sie Erika gegeben für die Fahrt nach Batavia. Aber sie konnte Valerie fragen. Valerie würde ihr sicherlich aushelfen.
Während sie noch grübelte, winkte Wico bereits ab. »Unmöglich, Sie als Frau ... die Reise dauert Tage und ist sehr gefährlich. Warten Sie doch einfach, bis dieser Jean wieder in die Stadt kommt.«
»Dafür habe ich aber keine Zeit mehr! Ich habe schon so lange nach ihm gesucht!«
Julie setzte sich auf einen Stuhl in Suzannas Küche und ließ resigniert den Kopf hängen. Wico schien Mitleid mit ihr zu bekommen. Dass sich die ehemalige weiße Frau seines Vaters mit seiner Mutter, der farbigen Gespielin, zusammengetan hatte, fand er zwar offensichtlich absonderlich. Aber dass diese Frau sich so für seine kranke Mutter und seine kleine Schwester eingesetzt hatte, dafür zollte er ihr gehörigen Respekt, er hatte sich dafür auch schon bei ihr bedankt. Nun hoffte sie, dass er ihr helfen würde. Noch war er eher skeptisch, rückte sich aber einen Stuhl an den Tisch, setzte sich darauf und verschränkte die Arme auf der Tischplatte. Nach einer Weile des Nachdenkens richtete er das Wort an Julie.
»Angenommen, wir würden diese Fahrt planen. Wir bräuchten ein Boot, mindestens noch drei Männer zum Rudern, Proviant für mehrere Wochen und ... ein Gewehr wäre ganz gut. Das würde sehr teuer werden.«
Julie hob den Kopf, in ihre regte sich eine leise Hoffnung. »Das wäre alles? Kein Problem! Ich kann Geld besorgen, aber um die Dinge kümmern müsstest du dich. Ich weiß nicht, wo man Waffen kauft.«
Wico grinste jetzt wieder. »Abgemacht.«
»Abgemacht.« Julie fiel ein Stein vom Herzen. Sie hatte schon befürchtet, er würde nicht einwilligen.
Die nächste Hürde war allerdings Suzanna. Sie hatte kein Verständnis dafür, dass Julie ihren Sohn zu dieser gefährlichen Reise überreden wollte. Sie war froh, dass Wico gerade unbeschadet aus der Wildnis wiedergekehrt war, und jetzt sollte er gleich wieder dorthin?
»Kommt gar nicht in Frage! Juliette, Ihre Hilfe für unsere Familie in Ehren, aber das kann ich nicht erlauben. Nur damit Sie Ihren Buchhalter wiedersehen.«
»Jean ist nicht mein Buchhalter. « Julie hatte ihr nicht erzählt, was sich auf der Plantage durch Pieter zugetragen hatte. »Ohne Jean werde ich die Plantage vielleicht verlieren!«
Suzanna zuckte mit den Achseln. »Das ist nicht mein Problem.«
»Nein?« Julie wurde etwas lauter, sie konnte Suzannas Sorge um Wico ja verstehen, aber hier ging es schließlich um mehr. »Und was ist mit dem Haus hier? Was ist mit dem Stadthaus und dem Kostacker? All das gehört zur Plantage. Wenn ich die verliere, verliere ich auch diese Dinge. Und wo wir gerade dabei sind: Die Plantage hat Ihnen all die Jahre das
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