Im Land der Orangenbluten
Biest erblickten. Das Tier schreckte hoch und verzog sich schnellstens in den Wald. Die Burschen lachten immer noch, zeigten abwechselnd auf Julie und auf den Weg, den das Tier genommen hatte, und klopften sich prustend auf die Schenkel.
Julie war die Situation jetzt peinlich. »Ja, sehr lustig! Könntet ihr mir jetzt bitte hier herunterhelfen?« Die Burschen stapelten die Kisten und halfen ihr, immer noch grinsend, wieder auf den Erdboden zurück.
Als die Männer abends zurückkehrten, erzählten die drei natürlich sofort, wie sie Julie auf dem Dach vorgefunden hatten.
»Du hast dich von einem Opossum aufs Dach jagen lassen?« Jean sah Julie ungläubig an und grinste dann übers ganze Gesicht.
»Freut mich, dass ich zur Belustigung des ganzen Lagers beitragen kann«, schnaubte Julie wütend.
»Wie wäre es, wenn wir uns jetzt einmal über wichtige Dinge Gedanken machen? In zwei Tagen wollen wir zurück in die Stadt und wissen noch nicht, wie wir ... also?«
Jean setzte sich neben Julie ans Feuer. »Mir ist da heute so eine Idee gekommen, aber dafür müsstest du morgen etwas erledigen ...«
Jean und Wico saßen an den Rudern und versuchten, das Boot ruhig flussabwärts gleiten zu lassen. Sie waren auf dem Weg zum Lagerposten, um die übliche Visitation der Arbeiter und des Gepäcks über sich ergehen zu lassen. Wenn sie in die Stadt fuhren, ohne dort anzuhalten, würde man sofort die Polizei benachrichtigen.
»Also werden wir so wenig Aufmerksamkeit wie möglich erregen«, hatte Jean gesagt. Sein Plan war ebenso genial wie gefährlich. Julie saß vorne im Boot und rutschte unruhig hin und her. Wenn sie den Wachposten doch endlich hinter sich hätten!
Zu ihren Füßen glucksten drei dicke schwarze Hühner in ihren kleinen Käfigen.
»Mevrouw, würden Sie bitte ...«
»Fassen Sie mich bloß nicht an«, herrschte Julie den hageren weißen Wachmann des Lagerpostens an. Der aber grinste nur breit, wobei er eine Reihe fauliger Zahnstumpen entblößte. Er wischte sich die Hände an seinem speckigen Hemd ab. Wico und Jean hatten die Prozedur schon über sich ergehen lassen.
»Das können Sie doch nicht machen! Das ist eine Dame!«, warf Jean ein.
»Ja, ja«, blaffte der Mann. »Schon merkwürdig, dass sich die Dame hierher verirrt hat ... Mevrouw, wenn Sie jetzt nicht ... dann ...«
»Ja, ist ja schon gut, schon gut.« Julie betrat den kleinen Büroraum im Haus der Wachstation und zog sich bis auf das Unterkleid aus.
»Bitte!« Sie hob die Arme und drehte sich einmal im Kreis.
Jean protestierte im Hintergrund immer noch: »Unerhört, dass Sie sogar von einer Frau verlangen ...«
»Hören Sie mal, wenn Sie wüssten, wie viele Mulatten schon versucht haben, mit ihren Mädchen hier Gold rauszuschmuggeln, würden Sie sich nicht so aufregen. Und Befehl ist Befehl!«, rief der Mann nach draußen. Er nahm grinsend seinen Stock, der an der Wand lehnte, und schob damit Julies Unterrock bis über das Knie hoch.
»Also ... Nein!«, mokierte sich Julie, ließ es aber geschehen.
»Na, was haben wir denn daaaaaa?« Der Wachmann tickte mit dem Stock an ein breites, ledernes Band, welches knapp über dem Knie um Julies Bein geschlungen war. Er trat an sie heran und riss es mit einem Ruck ab. Julie machte ob der ungebührlichen Berührung einen Satz zur Seite. Dem Wachmann war die halb nackte Frau aber egal. Mit einem gehässigen Lachen verließ er das Büro und hielt Jean den kleinen Lederbeutel unter die Nase.
»Ob weiß, braun oder schwarz, wenn’s ums Gold geht, sind doch alle gleich.«
Jean machte ein betroffenes Gesicht. Julie zog sich wieder an.
Der Wachmann öffnete den Beutel und ließ ein paar Goldkrümel auf seine Hand rieseln. Er schaute etwas verwundert drein. »Mann, das ist aber nicht gerade viel.«
»Das«, schniefte Julie jetzt herzerweichend, »das ist für unsere Hochzeit.«
»Na, die müssen Sie jetzt wohl anders finanzieren, das Gold ist beschlagnahmt!«, sagte er kalt und verstaute den Beutel sorgfältig in einer großen, eisernen Kiste.
»So, jetzt noch das Boot und ihr könnt weiterfahren.« Er stapfte, gefolgt von Julie, Wico und Jean zum Ufer. Im Boot schaute er unter die Bänke, wühlte im Gepäck, befühlte jeden Hosensaum und Hemdkragen, und sogar die Hühner in ihren Käfigen mussten sich ordentlich durchschütteln lassen, was sie mit bösem Gegacker quittierten.
Nach gut zwei Stunden war die Durchsuchung vorbei, und Julie, Jean und Wico konnten wieder in das Boot steigen. Erst als
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