Im Land der Orangenbluten
wenigstens gesagt hätte, welche Aufgaben sie übernehmen sollte! Dieser Haushalt war jahrelang ohne eine Misi ausgekommen, Amru hatte alles problemlos im Griff, und es gab keinen Grund für Julie, der Sklavin in irgendetwas hineinzureden.
In ihrer Langeweile wünschte Julie sogar, dass Martina aus der Stadt zurückkehren würde. Zwar war ihre erste Begegnung nicht gerade vielversprechend abgelaufen, aber Julie hoffte, hier auf der Plantage vielleicht doch Zugang zu ihrer Stieftochter zu finden. Das Mädchen musste sich doch auch langweilen!
Aus der Not fing Julie sogar bald an, mit Nico zu sprechen. Das Tier freute sich sichtlich darüber. Immer, wenn Julie das Haus verließ, tauchte es sofort in ihrer Nähe auf und folgte ihr beharrlich.
Ebenso wie Kiri. Das Sklavenmädchen wirkte inzwischen erholter, machte einen munteren Eindruck und verfolgte alle Tätigkeiten von Julie aufmerksam. Kiri war von Amru angewiesen worden, sich stets in Julies Nähe aufzuhalten, falls die Misi etwas wünschte. Aber meist stand Kiri tatenlos herum, während ihre Misi versuchte, sich von dem eintönigen Tagesablauf abzulenken. Nach einigen Tagen wusste sie bereits, wie Julie ihr Haar gerne trug, welche Kleidung sie bevorzugte und wann Julie ein Getränk wünschte. Julie bedachte Kiri immer häufiger mit kleinen Aufgaben, denn es tat ihr leid, dass das Mädchen den ganzen Tag für sie zur Verfügung stehen musste. Es war für Julie sehr ungewohnt, zwar einsam, aber nie recht allein zu sein.
Kapitel 4
»Juliette? Martina ist angekommen!«
Karls Stimme dröhnte aus der Eingangshalle durch das Haus. Als Julie jetzt zu Karl auf die Veranda trat, sah sie Martina mit einem jungen Mann, gefolgt von zwei schwarzen Burschen, vom Fluss herüberkommen.
»Wer ist das?«, fragte sie verwundert. Niemand hatte ihr gesagt, dass ein weiterer Besucher erwartet wurde.
Julie hatte in den letzten Tagen oft darüber nachgedacht, wie das Zusammenleben mit Martina wohl sein würde. In ihrer Langeweile wäre es schön, zumindest eine Verbündete hier zu haben. Insgeheim hegte sie Zweifel, ob Martina diese Person sein konnte, aber Julie war fest entschlossen, zumindest zu versuchen, Zugang zu dem Mädchen zu finden. Ihre erste Begegnung war mehr als unglücklich verlaufen – für beide Seiten. »Es tut mir leid, Martina, dass wir dich so überrumpelt haben, für mich ist die Situation ebenso neu wie für dich«, wollte sie dem Mädchen sagen.
Die beiden waren inzwischen an der Veranda angekommen, und Martina begrüßte ihren Vater, ignorierte Julie aber. Julie war nicht wirklich erstaunt, auch wenn sie sich eine andere Begrüßung erhofft hatte. Sie war eher verunsichert, dass Martina einen Besucher mit auf die Plantage brachte. Aufmerksam musterte sie den Mann.
Julie schätzte ihn auf Ende zwanzig, vielleicht sogar schon dreißig Jahre. Seine Haare trug er militärisch kurz und akkurat geschnitten. Er war etwas kleiner als Karl und von recht kräftiger Statur. Als er jetzt die Stufen zur Veranda hinaufkam, musterte er Julie mit einem abschätzenden Blick. Darin lag etwas Feistes, Lauerndes, was Julie ganz und gar nicht behagte. Sie zwang sich, seinem Blick nicht auszuweichen.
»Pieter, wie schön dich wiederzusehen.« Karl reichte dem Mann die Hand zum Gruß und klopfte ihm mit der anderen freundschaftlich auf die Schulter. »Pieter ... Darf ich dir Juliette vorstellen, meine neue Frau.«
Martina gab hinter Pieter ein leises, aber unverkennbar verächtliches Prusten von sich.
Karl beachtete Martinas unhöfliche Lautäußerung nicht weiter und fuhr an Julie gewandt fort: »Pieter Brick, Martinas Verlobter. Pieter ist der Distriktarzt.«
Verlobter? Julie starrte ihn kurz an. Sie war also nicht nur Ehefrau und Stiefmutter, sondern bald auch Schwiegermutter.
Der Mann begrüßte Julie knapp, bevor er sich wieder an Karl wandte: »Wie schön, ich habe bereits vernommen, dass du in Europa nicht nur geschäftlichen Dingen nachgegangen bist.« Dabei bedachte Pieter Julie mit einem Blick, der sie kurz erstarren ließ. Wäre dieser feindselige Ausdruck nicht in seinen Augen gewesen, Julie hätte ihn vielleicht sogar für einen angenehmen jungen Mann gehalten. Jetzt aber wallte in ihr eine Welle der Abneigung hoch.
Karl hingegen schien bezüglich der Familienzusammenführung keinen Gedanken zu verschwenden. »Lasst uns reingehen. Aiku – Getränke! Amru – bereite das Essen vor!«
Auf dem Weg in den Gästesalon hängte sich Martina besitzergreifend bei
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