Im Land der Orangenbluten
– mit einem Badezuber! Julie war erfreut. Eine anständige Waschgelegenheit hatte sie bisher vermisst. Eine weitere Tür führte von dem Baderaum zu der außen liegenden Stiege, die hinab zur hinteren Veranda führte.
»Wenn Misi Juliette baden möchte, bringen wir das Wasser hoch.« Dabei bedachte Amru Kiri, die den Frauen immer noch wie ein Schatten folgte, mit einem gewichtigen Blick, worauf das Mädchen eifrig nickte.
Auf dem Weg zurück blieb Julie vor der Tür des Flures stehen, hinter die sie noch keinen Blick geworfen hatte.
Amru sah Julie und auch Kiri mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck an. »Misi, dieses Zimmer ist tabu für alle, sagt Masra Karl.« Julie runzelte die Stirn. Tabu? Warum denn das? Bevor sie Amru aber danach fragen konnte, lenkte die Sklavin eilig ab: »Möchte die Misi jetzt auf der vorderen Veranda eine Erfrischung einnehmen?« Und an Kiri gewandt fügte sie hinzu: »Kiri, du gehst und füllst die Waschschüssel im Zimmer der Misi auf.«
Die Führung schien beendet.
Diese Besichtigung entpuppte sich bald als Höhepunkt von Julies erster Woche auf Rozenburg. Die Tage auf der Plantage verliefen schnell in einem einschläfernden Gleichmaß. Karl war morgens bereits vor dem Frühstück unterwegs. Begleitet wurde er stets von Aiku. Der Sklave tappte früh morgens leise durch den Flur, damit alles zur Zufriedenheit seines Herrn war, wenn dieser aufwachte. Julie konnte schon nach ein paar Tagen die Schritte auf dem Flur auseinanderhalten. Sie hörte ein leises Huschen von nackten Füßen, Aiku machte dabei große Schritte, Amru eher kurze, feste und Kiris waren leicht und schnell.
Karl kam dann nach seinem Kontrollritt durch die Zuckerrohrfelder kurz zurück und frühstückte gemeinsam mit Julie, las dabei allerdings vornehmlich in einer Zeitung. Diese war zwar nie tagesaktuell, da ein fahrender Händler sie lediglich einmal wöchentlich mit seinem Boot vorbeibrachte, aber Karl blätterte beharrlich jeden Tag eine der Ausgaben durch.
Nach dem Frühstück ging er an seinen Schreibtisch. Die Aufseher und Vorarbeiter, die Basyas , durchweg Mischlinge, kamen und lieferten ihre Berichte ab, und die zu erledigenden Arbeiten wurden besprochen, bis es am Mittag wieder eine kleine Mahlzeit gab. Die Temperaturen stiegen unterdessen draußen auf ein unerträgliches Maß. Bis zum frühen Abend wurde im Haus geruht. Karl pflegte vor dieser Ruhe einen Dram, einen kräftigen Schnaps aus gebranntem Zuckerrohr, zu sich zu nehmen und begann die Abendstunden dann ebenfalls mit einem Glas dieses Getränks, bevor sie ein reichhaltiges Essen zu sich nahmen. Aiku wusste um die Vorlieben seines Herrn und stand stets mit dem Tablett bereit.
Um Julie scherte sich niemand. Brav kam sie jeweils zu den Mahlzeiten zu Tisch, in der Hoffnung, Karl würde ein paar Worte mit ihr wechseln.
Sie hatte sich ihre Ankunft irgendwie anders ausgemalt. Aufregender, betriebsamer. Sie hatte davon geträumt, dass Karl sie in das Plantagenleben mit einbeziehen würde oder sie Aufgaben im Haus übernehmen könnte. Aber nichts dergleichen geschah.
Als das Treiben eines Tages deutlich unruhiger wurde und eine gewisse Spannung in der Luft lag, fragte Julie die Haussklavin neugierig, was los sei.
»Misi, heute beginnt die Ernte«, erklärte Amru.
Julie war froh, endlich ein wenig Abwechslung! Geschwind zog sich um. Im Haus trug sie lediglich ein leichtes Kleid, für draußen aber war das vermutlich nicht angemessen.
Gerade als sie das Haus verlassen wollte, um an der Zuckermühle zum ersten Mal die Ernte zu beobachten, fing Karl sie ab. »Wo willst du hin?«
»Ich dachte ... ich könnte vielleicht zur Mühle«, sagte Julie leise.
Karl aber machte ihre Hoffnungen zunichte: »Nichts da! Während der Ernte bleibst du im Haus. Du würdest da nur im Weg stehen, außerdem ist es gefährlich.«
»Aber ich wollte doch nur zugucken«, warf Julie vorsichtig ein.
»Juliette – ins Haus!« Karls Kommando duldete keine Widerrede. Julie trottete missmutig zurück ins Haus.
Sie langweilte sich. Was machten die Frauen auf solchen Plantagen nur den ganzen Tag? Nach ein paar Tagen war sie mehr als ausgeruht, und auch an das Klima hatte sie sich ansatzweise gewöhnt. Außer den Sklaven bewegte sich aber nicht viel den ganzen Tag. Im Haus gab es für Julie keine Aufgaben. Julie stellte sich oft die Frage, ob sie hier überhaupt als Misi akzeptiert würde, und wusste immer noch nicht, was als Misi von ihr verlangt wurde. Wenn Karl ihr
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