Im Land der Orangenbluten
anstrengend gewesen, Marie Marwijks Gerede zu ertragen.
Als sie auf Rozenburg anlegten, musste Aiku seinem Herrn aus dem Boot helfen. Karls Stimmung schien allerdings vom Alkohol und nach einem kleinen Nickerchen beflügelt. »Jaaaa, so ein Erbe ...«, er sprach nicht mehr deutlich, aber sein Blick und der Griff nach Julie waren eindeutig. »Das hätte schon was ...« Weil er Julie jedoch nicht erwischte, schnappte er sich Martina. »Wo meine Kleine mich doch bald verlassen wird ...«, lallte er.
Pieter sah verärgert aus. »Karl, du bist betrunken. Aiku, bring den Masra auf sein Zimmer.«
Aiku schob Karl, der immer noch Martina im Arm hatte, Richtung Haus.
Julie atmete auf, sie hatte allmählich genug von diesem Abend. Gerade wollte sie sich auf den Weg Richtung Haus aufmachen, als Pieter sich plötzlich vor ihr aufbaute. Sie erschrak.
»Hören Sie, Juliette«, er sprach leise und drohend, »ich weiß nicht, was Sie bewogen hat, auf Karls Antrag einzugehen, aber Sie sind sich doch bewusst, weshalb er Sie geheiratet hat?«
»Gehen Sie mir aus dem Weg, Pieter.« Julie bemühte sich um eine feste Stimme.
Er machte aber keine Anstalten, sie gehen zu lassen, im Gegenteil, er machte einen weiteren Schritt auf sie zu. Wie ein drohender Schatten verdunkelte er den Nachthimmel.
»Sie waren nichts weiter als ein gutes Geschäft, vergessen Sie das nicht! Und kommen Sie nicht auf die Idee, sich hier irgendwie familiär einzurichten. Martina steht die Plantage zu, und das wird auch so bleiben.«
»Hören Sie Pieter, ich weiß nicht, was Sie meinen. Wenn Sie jetzt bitte so freundlich wären, mir aus dem Weg zu gehen«, entgegnete Julie so ruhig, wie es ihr möglich war.
Er ließ Julie tatsächlich vorbei. Julie eilte sich, ins Haus zu kommen. Sie zitterte am ganzen Körper.
Kapitel 5
Erika konnte Reinhards Begeisterung wieder einmal nicht teilen. Zwar hatte ihr Mann in den ersten zwei Monaten in Surinam inzwischen einiges an Enthusiasmus eingebüßt, nachdem er gemerkt hatte, wie viele Dinge, vor allem der Umgang der Weißen mit den Schwarzen, sich hier gestalteten. Aber er baute sich selbst immer wieder damit auf, dass sich alles verbesserte, wenn die Schwarzen zu guten Christenmenschen würden. Ein Gedanke, den Erika inzwischen nicht mehr teilte. Sie kam den Schwarzen durch ihre Arbeit in der Krankenstation näher als ihr Mann, der sich bis jetzt eher mit Verwaltungsaufgaben beschäftigt hatte, und wusste, dass diese Menschen sehr an ihrem Glauben festhielten. Sie waren nicht ungläubig, wie die Weißen gerne behaupteten, sondern praktizierten einen umfassenden Glauben an diverse Gottheiten. Diese Gottheiten wiederum hatten jeweils ihre speziellen Zuständigkeiten, ob für das Wasser, die Erde, die Arbeit oder die Gesundheit. Erika war weit von umfassender Kenntnis in dem Bereich entfernt, aber sie hatte bemerkt, dass es diesen Menschen insbesondere bei Krankheiten half, ihren Glauben zu leben. Natürlich war das nicht einfach, widersprachen sich doch einige für die Heilung erforderliche, westliche Anwendungen den von den Heilern vorgeschlagenen Maßnahmen. Erika fand aber meist einen Mittelweg, der es dem Kranken erlaubte, sowohl dem Rat eines Heilers als auch dem der Krankenschwestern nachzukommen. Was davon letztendlich heilte? Es war egal, Hauptsache die Gesundheit wurde wiederhergestellt. Und ganz sicher war das Wissen der Heiler nicht schlecht.
Derama, eine ältere Heilerin, die Erika über eine ihrer Patientinnen kennengelernt hatte, erwies sich als unerschöpfliche Quelle nützlichen Wissens.
Eine junge Sklavin war zur Niederkunft in die Krankenstation gekommen. Das Mädchen war schmächtig und der Weg für das Kind knapp bemessen. Als die Geburt nicht voranging und Erika und Josefa befürchteten, dass das Kind zu allem Übel auch noch falsch lag, hatte die Mutter der Gebärenden nach Derama rufen lassen. Josefa hatte zwar protestiert, die Gebete, die sie kniend neben dem wehengebeutelten Mädchen sprach, seien jetzt die einzige Hoffnung, aber Erika hatte zugestimmt. Ihr war jede Hilfe recht, die das Leben der Mutter und des Kindes noch retten konnte. Derama machte sich, über und über mit wundersamen Medaillons behängt, sofort ans Werk, ungeachtet der weißen Krankenschwestern. Kurz verbrannte sie ein Bund Kräuter und sprach einige Beschwörungen, was Josefa aus ihrer Ecke mit Kopfschütteln quittierte. Dann beugte sich die Heilerin aber zu der Gebärenden, sprach beruhigende Worte und träufelte ihr
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