Im Land der Orangenbluten
darauf! Auch wenn diese stundenlangen Bootsfahrten nichts mehr für mich sind, dieses Fest darf man auf keinen Fall auslassen. Ich meine ... ich verstehe, wenn Sie sich erst noch etwas an das Klima gewöhnen müssen, aber das sollten Sie nicht verpassen.«
Julie sah fragend zu Karl hinüber. Doch dieser beachtete sie gar nicht.
»Ich denke, Karl wird dies entscheiden, dann ...« Julie überlegte. Der Ball des Gouverneurs ... Sicherlich würde Karl es sich nicht nehmen lassen, sie auch dort vorzuführen.
Marie plapperte munter weiter, während der Hauptgang aufgetragen wurde, und hörte bis zum Dessert auch nicht damit auf. Julie hörte nur mit halbem Ohr hin. Sie wunderte sich über die Namensgebung der Haussklaven bei den Marwijks. Davis Marwijk sprach sie ohne Ausnahme mit Namen griechischer Götter an. Athene brachte die Suppe, Dionysos schenkte Wein nach, und die kleine Persephone legte das Fleisch vor. Julie ging nicht davon aus, dass die Sklaven ihre Kinder selbst so genannt hatten, traute sich aber nicht, danach zu fragen. Wann auch? Marie Marwijk redete schließlich pausenlos. Julies Reaktionen beschränkten sich auf gelegentliches freundliches Nicken und kurze, höfliche Kommentare. Bis Marie Marwijk wieder das Thema wechselte.
»Vielleicht schenken Sie Karl dann ja auch endlich den lang ersehnten Erben? So eine schöne Plantage ohne männlichen Nachfolger wäre doch zu schade«, sagte sie eine Spur zu laut.
Julie musste husten und hielt sich schnell die Serviette vor den Mund. Abrupt verstummten die anderen Gespräche am Tisch.
»Marie!« Davis bedachte seine Frau mit einem strafenden Blick, und Karl sah Julie unverwandt an, sein Lächeln hatte etwas Zweideutiges. Marie zuckte nur mit den Achseln und widmete sich wieder ihrem Essen.
Julie war innerlich erstarrt. Bis jetzt hatte sie noch gar nicht darüber nachgedacht, aber die Nächte, in denen Karl sich ihrer bemächtigte, würden sehr wahrscheinlich nicht ohne Folgen bleiben. Bisher aber ... sie glaubte nicht. Sie wusste aber auch nicht genau, wie ...
Hatte Karl sie vielleicht auch aus diesem Grunde auserwählt? Als junge, gesunde ... Zuchtstute!
Julie atmete tief durch und nahm einen großen Schluck aus ihrem Glas. Sie riss sich so gut es ging zusammen und zwang sich zu einem nichtssagenden Gesichtsausdruck. Ihr Blick in die Runde traf auf das verfinsterte Gesicht von Pieter, und Martina sah nicht weniger entsetzt aus. Verlegen konzentrierte Julie sich auf ihren Teller.
Marie schien die Spannung, die in der Luft lag, nicht zu bemerken und hatte erneut das Thema gewechselt. Julie atmete innerlich auf, als Marie ein neues Opfer fand und damit die Aufmerksamkeit von ihr ablenkte.
»Pieter, wie laufen die Geschäfte in der Praxis?«
»Sehr gut, danke der Nachfrage.«
»Stimmte es denn, dass dieser Negerarzt in der Stadt so guten Zuspruch hat?«
Pieter verzog grimmig das Gesicht. »Nun, ich will mal so sagen: Seit er da ist, brauche ich mich mit diesem Kaffernvolk nicht mehr rumzuschlagen.«
»Also, ich finde es ungeheuerlich, dass er tatsächlich die Erlaubnis erhalten hat, praktizieren zu dürfen.« Marie schnaubte verächtlich. »Ich meine, dieser Mann spricht ja nicht mal unsere Sprache. Was kommt als Nächstes? Dass sie gar lesen und schreiben lernen dürfen?«
Davis’ Gesicht wurde noch ernster als zuvor. »Man munkelt ja, dass die Regierung die Sklaverei vielleicht ganz abschaffen möchte. Welch verrückte Idee, man sieht doch, was drüben in der französischen Kolonie passiert ist.«
»Undenkbar ... undenkbar«, pflichtete Karl ihm bei. »Angeblich sind die Plantagen dort teilweise sogar in Negerhand. Was die da wohl anbauen? Bananen?«
Die Männer lachten.
»Juliette, hat Karl Ihnen denn wenigstens eine Sklavin besorgt?«, fragte Marie interessiert.
Julie brachte mit Mühe ein Nicken zustande.
Es war spät, als sie die Heimreise antraten. Julie fürchtete sich ein bisschen vor der Bootsfahrt im Dunkeln. Die Sklaven aber fanden den Weg zurück nach Rozenburg mit schlafwandlerischer Sicherheit. Bedrückendes Schweigen begleitete die Fahrt. Martina saß an Pieter geschmiegt, der wiederum seinen eigenen Gedanken nachzuhängen schien, und Karl döste bereits vor sich hin. Zum Abschied hatte er es sich nicht nehmen lassen, mit Davis noch das eine oder andere Mal auf die gute Nachbarschaft anzustoßen. Hoffentlich würde ihn das nicht wieder dazu bringen, in der Nacht ...
Julie war erschöpft und hatte Kopfschmerzen. Es war
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