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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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alles beim Alten geblieben.«
    Livs Mutter nahm ihre Tochter tröstend in den Arm. »Ach, Kind, Kiri kann doch auch nichts dafür, die Entscheidung hat Misi Juliette getroffen, und das ist ihr gutes Recht. Und dass sie dich ausgesucht hat ... Sie meint das ja nicht böse.«
    Kiri war die Situation unangenehm, und sie verzog sich wieder vor ihre Hütte. Bald darauf löste sich auch die kleine Ansammlung von Frauen auf, und Orla, die fast blinde alte Sklavin, die in der Hütte neben Kiri lebte, kam auf ihren Stock gestützt angehumpelt. Kiri hatte Angst vor der Alten, deren grau getrübte Augen immer ins Leere zu blicken schienen.
    Jetzt steuerte die Alte genau auf Kiri zu und ließ sich ächzend neben ihr nieder. Kiri erschrak: Was wollte die Alte?
    Die Frau neigte den Kopf und sagte freundlich: »Bist ein gutes Mädchen.« Sie nickte wohlwollend und zeigte ein zahnloses Lächeln. »Du musst dir keine Sorgen machen, deine Misi hat schon richtig entschieden. Liv hat nur Angst, dass Misi Martina sie irgendwann mit fortnimmt, mit Masra Pieter ... aber noch bleibt sie ja da.«
    Kiri sah die alte Orla dankbar an. Die anderen Sklaven des Dorfes hatten Kiri zwar freundlich aufgenommen, aber niemand kümmerte sich direkt um sie. Und da Kiri hier keine Familie hatte, war sie manchmal ziemlich einsam.
    »Mein Sohn arbeitet auch im Haus«, sagte die Alte nachdenklich. »Dieses Haus hat schon viel Schrecken erlebt ...«
    Kiri fröstelte. Jetzt machte die Alte ihr doch wieder Angst. War sie gar verrückt?
    Als Orla bemerkte, dass Kiri leicht von ihr abrückte, richtete sie ihre trüben Augen wieder auf das Mädchen. »Deine Misi ist ein guter Geist, sie wird die dunklen Schatten vertreiben, aber du wirst ihr dabei helfen müssen. Sei tapfer, Kind ...«
    Damit erhob sich die Alte stöhnend und ging humpelnd ihres Weges. Kiri schaute ihr hinterher. Sie war sich nicht sicher, was sie von der Frau halten sollte.
    Später traf Kiri auf der hinteren Veranda auf Amru. Sie setzte sich auf eine der Matten und beobachtete schweigend, wie die Haussklavin das Essen vorbereitete. Am Nachmittag, bis zum Abendessen, hatte Kiri meistens frei und durfte ihren eigenen Dingen nachgehen. Die Misi zog sich dann auf ihr Zimmer zurück, um zu lesen oder zu ruhen.
    »Amru?« Kiri wollte zu gerne wissen, was es mit der alten Orla auf sich hatte. »Ist Orla eigentlich schon immer hier?«
    Amru sah sich verwundert zu Kiri um. »Hat Orla mit dir gesprochen?« Kiri nickte. »Seltsam. Eigentlich spricht sie nicht mehr viel, seit ...«
    Sie wandte sich wieder den Töpfen zu, in denen das Essen auf der Kochstelle vor sich hindampfte.
    Doch Kiri ließ nicht locker. »Warum? Was ist denn passiert?«
    Amru schüttelte den Kopf, ohne sich jedoch zu Kiri umzudrehen. »Ach, Kiri, manchmal ist es besser, die Vergangenheit ruhen zu lassen.«
    Kiri spürte, dass sie an dieser Stelle nicht weiterkommen würde.
    »Orla sprach von ihrem Sohn«, bemerkte sie stattdessen. In diesem Moment ging ihr auf, um wen es sich handelte. »Ist Aiku Orlas Sohn, Amru?«
    »Lass die Vergangenheit ruhen, Kiri!« Amru war laut geworden, und ihr Tonfall beschied deutlich, dass sie darüber nicht sprechen wollte.
    Kiris Neugier aber war dadurch nur mehr entfacht. Sie würde schon noch herausfinden, was geschehen war. Irgendwie schien das Ganze mit ihrer Misi zu tun zu haben.
    Amru wies das Mädchen unwirsch an, das Zimmer der Misi zu reinigen, die auf der vorderen Veranda saß und las. Kiri gehorchte folgsam und trollte sich nach oben. Sorgsam lüftete sie das Bett und schrubbte dann den Boden, erst mit Wasser, dann mit halben Orangen, bis das Holz glänzte und die Dielen einen frischen, sauberen Geruch annahmen. Nichts sollte ihre Misi verärgern. Kiri hatte mit Sorge bemerkt, dass Misi Juliette im Verlauf der Wochen etwas stiller geworden war. Vermutlich schlug ihr die Eintönigkeit auf der Plantage auf das Gemüt, und auch weder Masra Karl noch Misi Martina waren besonders nett zu ihr – vielleicht bedrückte sie das. Die Weißen waren schon seltsam. Warum hatte Masra Karl wohl Misi Juliette aus dem fernen Land mitgebracht, wenn er sich hier nicht um sie scherte?
    Kiri war stolz, jetzt eine eigene Misi zu haben. Früher hatte sie die Leibsklavinnen der weißen Misis immer bewundert. Sie durften recht hübsche Kleider tragen und erfuhren auch sonst kleine Vergünstigungen. Jetzt war sie selbst eine von ihnen. Sie war zwar bei Weitem noch nicht so geschickt, aber sie bemühte sich wirklich.

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