Im Land der Orangenbluten
Martina damit eine Lektion verpasst.
»Gustav, du wirst machen, was ich sage«, sagte Martina bedrohlich. Sie schien nicht gewillt, klein beizugeben.
Der Mann regte sich nicht, er war sichtlich irritiert.
»Was ist das für ein Krach hier?« Karl erschien auf der Veranda.
»Vater!« Martina schluchzte jetzt herzerweichend und rannte zu ihm. »Juliettes Kiri hat sich danebenbenommen, sie hat den Putzeimer im Flur stehen lassen, und jetzt will Juliette nicht, dass sie angemessen bestraft wird.« Hilfesuchend klammerte sich Martina an Karls Arm.
Karl hatte sichtlich keine Lust, sich mit so etwas herumzuschlagen. »... Putzeimer, hm?« Er überlegte kurz. »Juliette, geh zur Seite. Gustav – einen Schlag«, befahl er dann.
Julie traute ihren Ohren nicht. »Karl! Das kannst du nicht ...«
»Geh Gustav aus dem Weg, Juliette.« Karl war jetzt sichtlich wütend.
»Wenn Kiri sich etwas hat zuschulden kommen lassen, muss das geahndet werden, und wenn du selbst so nachlässig bist mit ihr, dann ...«
Gustav, durch die Anwesenheit seines Herrn eingeschüchtert, trat einen Schritt auf Julie und Kiri zu.
Julie funkelte ihn drohend an. »Wehe ...«
Jetzt reichte es Karl offensichtlich. Er marschierte auf Julie zu und packte sie am Arm. Kaum war sie aus dem Weg, holte Gustav aus, und Kiri bekam einen kräftigen Schlag auf den blanken Rücken. Julie zuckte zusammen. Martina hingegen lächelte zufrieden, reckte den Kopf in die Höhe, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand im Haus.
Karl zog Julie ebenfalls mit ins Haus, durch den Flur, direkt in sein Arbeitszimmer und knallte die Tür hinter sich zu. »Juliette, nun ist es genug! Du musst dich daran gewöhnen, wie hier mit den Sklaven umgegangen wird! Angemessene Bestrafungen gehören nun mal dazu.«
»Aber, Karl ...«
»Still, kein Wort mehr! Und wag es nicht noch einmal, mir oder den Aufsehern Widerworte zu geben. Wo kämen wir denn da hin, wenn ... Ab heute verlange ich, dass du dich entsprechend benimmst.«
Julie rannte hinaus und den Weg zum Sklavendorf entlang. Tränen der Wut brannten in ihren Augen. Als sie Kiris Hütte erreichte, kam gerade Amru durch den Eingang hinaus. Wortlos stürmte Julie an ihr vorbei. »Kiri?«
Das Mädchen saß vornübergebeugt auf einer Matte. »Misi Juliette?«
Julie kniete sich neben Kiri. »Kiri, es tut mir so leid.«
Ein dicker roter Striemen zog sich über Kiris Rücken. An den Stellen, wo er die alten Narben querte, war die Haut leicht aufgeplatzt. Julie stieg der Geruch von Salbe in die Nase. Amru hatte Kiris Rücken offensichtlich bereits versorgt.
»Das muss Misi Juliette nicht leidtun, ich hätte ja auch den Eimer wegräumen können, dann ...«
»Ach, Kiri, hör doch auf, das ist doch kein Grund!«
Julie legte Kiri liebevoll die Hand auf den Arm. Sie hatte dem Mädchen gegenüber ein schlechtes Gewissen.
Kiri zuckte nur leicht die Schultern. »Ich habe der Misi doch gesagt, dass das normal ist, alle Weißen schlagen ihre Sklaven ...«
Julie beschloss, von nun an noch besser auf Kiri aufzupassen. Wenn sie schon den anderen Sklaven nicht helfen konnte, wenigstens Kiri sollte dies erspart bleiben. Ihr wurde übel davon, wenn sie sah, mit welcher Selbstverständlichkeit Gustav oder einer der anderen Basyas den Stock führte. Aber inzwischen hatte sie auch gehört, dass es morgens, nach Karls Rückkehr von seinen Rundritten und den entsprechenden Berichten der Männer, auch den einen oder anderen erwachsenen Sklaven traf. Diese Strafen wurden allerdings hinter der Zuckermühle vollstreckt, daher waren sie Julie bisher entgangen.
»Was haben sie denn gemacht?«, frage sie Amru. Amru zuckte nur die Schultern. »Manche sagen, sie sind krank und können nicht arbeiten, die Aufseher prüfen das, und wenn sie meinen, der Sklave ist nur faul, dann ...«
»Aber von diesen Kerlen kann doch keiner feststellen, ob einer wirklich krank ist oder nicht?«
»Nein – aber man sieht es nach den Schlägen. Wer dann aufs Feld läuft, ist gesund ...« Julie schüttelte fassungslos den Kopf. Alles in ihr begehrte gegen diese Art des Handelns und Denkens auf. Sie hatte allerdings keine Idee, wie sie die Sklaven davor schützen könnte. Aber irgendetwas würde sie unternehmen, das schwor sie sich.
Über dem Ärger hatte Julie den angekündigten Besuch des Buchhalters vollkommen vergessen. Eines Vormittags stieß sie auf dem Weg zum Damensalon mit einem jungen Mann zusammen, der mit einem Stapel Papiere auf dem Arm aus Karls
Weitere Kostenlose Bücher