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Im Land der Orangenbluten

Im Land der Orangenbluten

Titel: Im Land der Orangenbluten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: belago
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Die Misi sollte wissen, dass Kiri ein braves und gehorsames Mädchen war. Nicht dass die Misi noch auf den Gedanken kam, sie wieder zurück in die Stadt zu diesem Bakker zu schicken! Schon der Gedanke an den schmutzigen Holzverschlag bereitete ihr Übelkeit.
    Das Verhalten ihrer Misi war so anders als das der anderen feinen Damen. Allein die Tatsache, dass sie meistens Niederländisch mit ihr sprach, würde vermutlich die anderen feinen Damen zu einer Ohnmacht treiben, würden sie das mitbekommen. Mit Sklaven sprach man schließlich höchstens taki-taki, Negersprache. Gott sei Dank waren Kiri und die Misi meistens allein. Außerdem konnte die Misi die Negersprache nun mal noch nicht richtig. Kiri war stolz, ihr schon viel davon beigebracht zu haben.
    Natürlich verstanden die meisten Sklaven die niederländische Sprache, nur sprechen durften sie sie nicht. Als Kind hatte Kiri oft genug von Tante Grena bittere juk-juk- Blätter in den Mund gesteckt bekommen, wenn sie es gewagt hatte, einen niederländischen Satz zu sagen. Aber das war allemal besser gewesen, als Schläge von den Basyas zu kassieren. Kiri hatte schnell verstanden, dass es besser war, sich dumm zu stellen und so zu tun, als beherrsche man die Sprache nicht.
    Früher war alle paar Monate ein »Bruder« auf die Plantage gekommen. Kiri hatte das damals lustig gefunden: Sie hatte doch gar keinen Bruder, wie konnte ein einziger Mann Bruder von allen anderen sein? Aber dieser Bruder hatte den Sklaven aus einem Buch vorgelesen – und das sogar in ihrer eigenen Sprache. Kiri hatte zwar nicht ganz verstanden, was er erzählte, aber es war eine willkommene Abwechslung zum gleichmäßigen Plantagenalltag gewesen. In dem Buch ging es um einen Gott und viele andere Dinge: Es gab zum Beispiel Menschen, die vertrieben und gefoltert wurden. Kiri erinnerte das ein bisschen an die Geschichte ihres eigenen Volkes, aber Grena hatte nur gesagt, das sei doch etwas anderes. Viele Sklaven hatten sich dem Glauben dieses Bruders angeschlossen, und man hatte ihnen Wasser über den Kopf gegossen. Das hatte durchaus Vorteile für die Sklaven, manchen Weißen schien es zu gefallen, wenn man an ihren Gott glaubte, und der Bruder war dann immer voll des Lobes gewesen. Kiri hatte aber auch gehört, dass der Bruder auf anderen Plantagen davongejagt worden war.
    Allerdings war er manchmal auch böse gewesen, wenn er wiedergekommen war und die Sklaven neben seinem Gott auch noch andere Götter verehrt hatten. Die Sklaven gingen einfach davon aus, dass dieser Gott der Weißen ja nicht immer und überall Acht geben konnte, da war es doch besser, auch die anderen Götter um Hilfe zu bitten oder zu beschwichtigen, je nach dem.
    Kiri war das alles zu kompliziert. Manchmal hatte sie sich gewünscht, auch lesen zu können, dann hätte sie in dem Buch vielleicht Antworten gefunden. Aber Sklaven durften nicht lesen lernen. Die Weißen hielten sie für dumm und faul.
    Ob der neue Masra auch einen Bruder auf die Plantage kommen ließ?
    Kiri hatte Angst vor Masra Karl. Sie hatte gleich bei ihrer Ankunft im Dorf der Plantage Rozenburg gemerkt, dass die Sklaven nicht besonders erfreut gewesen waren, dass ihr Masra wieder zurück war von der Reise. Das Lied, das sie gesungen hatten, war ein Klagelied gewesen. Gut, dass der Masra den Text in der alten Sprache nicht verstanden hatte.
    Gleich am Tag nach seiner Rückkehr, der Morgen war gerade angebrochen, hatte er auch einige Strafen verhängt. Seine Basyas, die die Zügel während seiner Abwesenheit hatten schleifen lassen, wollten ihm ihre Untergebenheit versichern, und so waren gleich nach Sonnenaufgang einige Sklaven am dafür vorgesehenen Baum festgebunden und geschlagen worden. So einen Baum gab es auf jeder Plantage. Auf Rozenburg gab es zudem sogar ein Loch, Kiri hatte es beim Herumschleichen auf der Plantage gesehen. Das Loch war eine Kuhle im Boden, in die sich schwangere Frauen mit ihrem Bauch legen mussten – dann gab es die Peitsche.
    Zufrieden hatte der Masra die Basyas, durchweg alles Mischlinge, gelobt. Kiri kannte das. Die meisten Mulatten waren den Weißen eher zugetan als den Schwarzen. Im Grunde ging es nur um die Hautfarbe, und jeder Mulatte, dessen Haut auch nur eine Nuance heller war als die der anderen, fühlte sich gleich als etwas Besseres. Kiri wusste zwar, dass es bei ihrer Herkunft auch die ein oder andere offene Frage gab, aber sie hatte sich bisher immer eher als Schwarze gefühlt.
    Die alte Sklavin in Bakkers Holzschuppen

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