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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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Zudem braucht der Körper seiner Frau Jahre, um wieder als Frauenkörper zu funktionieren. So verstört scheint er von den Schrecken, die über ihn kamen. Einige Wochen später erreichen sie Melbourne, das neue Leben beginnt. An manchen Tagen heulen sie, aus Freude, dass sie davongekommen sind. An manchen Tagen erwischt sie das »Auschwitz-Syndrom« , jenes seltsame Schuldgefühl, dass sie beide überlebt haben und andere nicht. Mancher, der sich nach Australien retten konnte, hat die Rettung nicht ausgehalten, hatte alles auf sich genommen, um zu überleben. Nur um sich eines Tages das Leben zu nehmen. Unfähig, mit der Vergangenheit fertig zu werden. Ob auch er an Selbstmord gedacht hat? Nein, nie, erst recht nicht, nachdem er Esther getroffen habe. Liebe ist das Gegenteil von Tod, im Dezember 1953 kommt ihre Tochter Marcia zur Welt.
    Das australische Leben fing bescheiden an, ein Zimmer für zwei, zwei strapaziöse Jobs in einer Kleiderfabrik, der unbeugsame Wille, sich eine Existenz aufzubauen. Als sie endlich in eine eigene Wohnung umziehen, empfinden sie ein geradezu hysterisches Glück über die ab jetzt eigene Toilette. »Um dort ungestört die Zeitung lesen zu können.« Er beginnt zu schreiben, traut sich an seine Erinnerungen. Er muss schreiben, das Geschriebene soll ihn erlösen. Aber nicht auf Polnisch, nicht auf Jiddisch, nicht auf Deutsch (das er gebrochen spricht), er lernt die neue Sprache, schreibt irgendwann ein makelloses Englisch.
    Sein Unglaube kam nie in Gefahr. Welch absurder Gedanke, sagt er, an einen schützenden Gott zu glauben. Er erzählt die Episode eines (jüdischen) Freundes, dem ein Rabbi seine Zweifel und »Perplexitäten« vorwarf: »Yes, Rabbi, six million perplexities.«
    Nein, er hasst die Deutschen nicht, er kann nicht hassen, sagt er, er kann es nicht. Er zitiert Nelly Sachs, Paul Celan, Heinrich Heine, Stefan Zweig, er ist ungemein belesen, versteht lesen als eine andere Form der Nahrungsaufnahme. »I never like a day to go by without print.« Und er zitiert seinen Vater: »Ein Büchersklave ist ein freier Mensch.« Er bewundert die deutsche Literatur. Er ist immer noch Europäer, immer noch Sozialist, immer noch von der Torheit geschlagen, dass eine gerechtere Welt möglich ist. Hat er Angst vorm Sterben? Nein, er denkt nicht oft daran, er nimmt jeden Tag als Geschenk, er schreibt.
    Ich bitte den Kellner um die Rechnung und Mister Rosenberg besteht darauf, mich einzuladen. Ich begleite ihn zurück zu seinem Wagen, beim Abschied frage ich ihn, was er uns, den Nachgeborenen, sagen möchte. Er lächelt. »Don't let yourself be duped, think for yourself.« Lass dich nicht verführen, denk für dich selbst.

Am nächsten Morgen um 7 Uhr weiter Richtung Nordosten. Als der Greyhound-Bus an einem McDonald's vorbeikommt, kann man eine Hausfassade weiter den Graffito lesen: All you can eat, all you can vomit . Melbourne bleibt bis zuletzt eine intelligente Stadt. Dann hinaus aufs Land und Victoria zeigt sich als hübscher Staat, links und rechts liegen die fetten Wiesen und fetten Kühe. Nach dem Starren auf so viel Wüste ist das ein heilsamer Anblick.
    Das wird ein guter Tag, ein starker. Mit einem kleinen Wunder als Einleitung. Ich will nach Glenrowan, aber der Bus fährt weiträumig daran vorbei. Als ich den Fahrer frage, wie ich am besten vom Highway zu dem Dorf gelange, zwinkert er lässig und sagt, ich solle mich setzen und keinem etwas erzählen. Und der Mensch fährt tatsächlich an der Ausfahrt links runter und macht für mich den Umweg von mindestens zehn Kilometern. Das hat Stil, da beweist einer, wie anders man miteinander umgehen kann. Ich steige aus, wir winken uns zu, er dreht cool eine Schleife und braust zurück.
    Glenrowan hat eine Hauptstraße und ein halbes Dutzend Abzweigungen. Es gibt nur einen Grund (denke ich), um den Besuch hier zu rechtfertigen: This is Kellyland . Man geht ein paar Schritte und erreicht das Areal, das der Weltöffentlichkeit vom Bürgermeister geschenkt wurde. Als eher müde Attraktion. Denn hier rekonstruierten sie in Form von Hinweisschildern und Holzfiguren jenen Tag, an dem der Outlaw und seine Drei-Mann-Gang von der Polizei – genau hier – nach einem wilden Shoot-Out verwundet und gefangen wurden. Sogar die alte Bahnstation haben sie nachgebaut und den Warnruf angenagelt: No kissing in public . Die Stadt leistet

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