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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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warten.
    Wo Geistlosigkeit regiert, ist der Geist nicht weit. Underground Books ist eine gut bestückte Buchhandlungs-Grotte, reich genug, um den Rest seines Lebens hier zu verbringen. Ich kau-fe Instructions for American Servicemen in Australia 1942 , ein praktisches Vademecum für die amerikanischen GI s, die während des Zweiten Weltkriegs auf dem Kontinent stationiert waren. Pfiffig geschrieben, mit einem klugen Blick auf die Unterschiede zwischen den beiden Nationen. Keine leichte Lektüre, denn wieder bereut man, nicht als US -Bürger auf die Welt gekommen zu sein. Ganz nonchalant wird man davon in Kenntnis gesetzt, dass »die bessere Kleidung, das bessere Gehalt und die angeborene Höflichkeit der amerikanischen Armeeangehörigen ihnen bei den australischen Frauen einen glamourösen (sic!) Reiz verschafften«. Dieses Selbstvertrauen, man möchte hyperventilieren vor Neid.
    Den Rest des Tages verbringe ich in der Pizzabude. Zwanzig Kilometer Rad fahren gegen Staubwolken ist ein zweischneidiges Schwert. Es stählt die Muskeln und versaut die Lungen. Ich richte mich bei Agamemnon ein. Ich sage kurz die ersten vier Sätze aus der Odyssee auf (mehr kann ich nicht) und bin hinterher der König von Coober Pedy. Der Grieche schiebt den Tisch zur Steckdose und macht ab sofort »pssst«, wenn jemand zu laut redet. Meine humanistischen Gymnasialjahre hielt ich immer für Zeitverschwendung, welch Irrtum. Jetzt wird geerntet.
    Vier Stunden darf ich schreiben. Das heißt für einen streng Ungläubigen einen (inneren) Raum betreten, in dem alles gut wird. Auch die grässlichen Geschichten, auch die Verletzungen, die sich die Welt für einen ausgedacht hat, auch die Bosheiten, die man selbst austeilt. Obwohl nie Hilfe von außen kommt, nimmer. Schon gar nicht von »oben«. Keine Visionen, kein göttliches Flüstern, keine Offenbarungen blenden. Noch nie wurde ein intelligentes Buch »geweissagt«. Der Schreiber, jener einsame Mensch mit dem einsamen Beruf, hat immer nur sich. Und eben die Sprache, den Passepartout, der für jede Wunde passt. Sie ist die einzige, bedingungslose Liebe, der er begegnen wird. Jede andere muss sich hinten anstellen.
    Abends setze ich mich wieder auf die Terrasse. Ich komme mit Dag ins Gespräch, er ist Serbe, sein Vater kämpfte gegen die Nazis, dann gegen Titos Partisanen. So flohen beide am Ende des Krieges nach Australien. Die Mutter war bereits tot. Über Umwege landeten sie im Opal-Geschäft. Auf Dags Tisch stehen zwei Schachteln mit Insulin und Spritzen, er ist Diabetiker, er lobt das australische Gesundheitssystem. Leute aus über vierzig Ländern leben heute hier. Warum so viele aus osteuropäischen Ländern? Dag ist sich nicht sicher, aber er vermutet, dass sie alle ein unbändiges Bedürfnis nach Freiheit verspürten. Und hier gab es Chancen und Freiheit zuhauf. Die harte Arbeit störte nicht. Und, lachend: »Coober war kommunistenfrei.« Ob er je nach Serbien zurückwill, jetzt als Rentner? Wieder das Lachen. »Klar, aber erst wenn alle Parteibonzen tot sind und Belgrad zur EU gehört.«
    Szepi nimmt Platz, ein Ungar. Er legte sich 1956 mit den Russen in Budapest an. Und schaffte die Flucht nach Salzburg, erreichte ein Jahr später Melbourne. Mit 370 anderen Aufständischen. Mit ein bisschen Wäsche, der berühmten Zahnbürste, einer Tafel Rot-Kreuz-Schokolade und einem 100-Dollar-Gutschein. Er sagt, ich könne mir nicht die glückselige Dankbarkeit vorstellen, die sie alle der neuen Heimat gegenüber empfanden. Dankbar für ihr Leben. Noch heute. Wären sie verhaftet worden, hätten sie nur zwei Alternativen gehabt. Tod durch Erschießen oder Tod durch Versiechen in Sibirien. Da scheint sogar Coober Pedy ein Traumziel.
    Frühstück bei Prometheus, ich teile den Tisch mit Allen, der in Monteurskluft dasitzt. Er trinkt fünf Tassen Kaffee, weil er gestern abgestürzt sei, sagt er, in die Tiefen eines Vollrausches. Aber das soll ihn nicht hindern, heute zur Arbeit anzutreten. Allen, vielleicht Mitte vierzig, hat so eine Ironie, so etwas Trockenes, das mir immer gefällt, immer Nähe zu jemandem erzeugt. Er erzählt, dass er mit einer »Intellektuellen« verheiratet war. Doch nach acht Jahren (immerhin) hörte die Ehe auf. »Well, I'm just a hard-headed bloke«, ich bin nur ein einfacher Kerl. »Weißt du, mit der Ehe ist es wie mit einer

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