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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Altmann Andreas
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und ehemaligen Solo-Gitarristen A. A., der ihn unbedingt treffen will, nein, muss. Ich eile sogar eigens zum nahen Glücksbrunnen im atemberaubend schönen Russel Square, wo Bäume stehen, die nur noch in Cinemascope-Filmen auftreten, und werfe eine 2-Dollar-Münze hinein, mit dem schnell geflüsterten Wunsch: »Lieber Brunnen, bitte lass mich Mister Marvin treffen.«
    No way. Als ich mich umdrehe, beugt sich ein einheimischer Hundesohn über den Rand und fischt das Geld heraus. Ein Zeichen des Himmels, das ich erst hinterher begreife. Als ich zum vierten Mal Sam bedränge, ist es das letzte Mal: Gott ist in Sydney, um seine neue CD Guitar Man vorzustellen. Ich bin für Minuten deprimiert, dann passiert etwas Sonderbares, fünfzig Schritte weiter: Die Absage erlöst mich. Urplötzlich. Vielleicht ist es klüger, so die rettende Idee, wenn man seinen Idolen nicht über den Weg läuft. Träume könnten platzen.
    Ich bleibe in Northbridge, der hipsten Gegend in Perth, Cafés, Bars, verliebte Schwule, verliebte Junge, verliebte Alte, Violett-Haarige, Ganzkörper-Tätowierte, faule Bettler, fleißige Bettler, flüchtige Marihuana-Schwaden, die Sonne auf den Terrassen und eine Brise, wie sie nur durch Städte zieht, die nicht weit vom Meer liegen. Ich bestelle einen Kaffee und lese nochmals den Bericht über Hank B. Marvin. Und schlagartig fällt mir auf, dass der Mann nichts zu sagen hat. Nur dünne, liebe Sätze. Keine Zeile, die pocht, die ausholt und trifft. Sodass man getroffen dasitzt und sie nachflüstert. Hank ist brav und proper und sechsfacher Familienvater, never drugs, never booze, never dirty girls, nie ein zertrümmertes Hotelzimmer, immer das beflissene Genie, das seit geraumer Zeit nebenberuflich als Bergprediger durch die Nachbarschaft tourt und aufsagt, »was im Buche steht«. Never mind. Kein Sprachgott, eben ein Musik-Gott. Voller Dankbarkeit will ich mich daran erinnern.
    In der Nähe meines Hotels gibt es ein Deli, das die ganze Nacht geöffnet ist. Neben dem Eingang hat der Besitzer Fotos verschiedener Individuen aufgehängt, mit ihren Namen darunter. Die kleine Ausstellung heißt: Das sind Ladendiebe!
    Heute ist der Tag, um Inne S. kennenzulernen, die Wildfremde. Ich bin zwei Stunden eher im Burswood Entertainment Complex , will mich umschauen. Australier, heißt es, seien krank vor Spiellust. Sieben Restaurants gibt es, acht Bars, einen Nachtclub, zwei Luxushotels, ein Convention-Center, ein überdachtes Stadion. Und das Casino, immer offen, nie zu, nie. Von Roulette, Black Jack, Money Wheel, Texas Hold'Em, Baccarat, Three Card Poker, Keno plus Wetten auf Pferderennen, Hunderennen plus plus plus, alles vorhanden. Auf einer gigantischen Fläche. Und in jeder Toilettenkabine eine Box, deren Sinn ich nicht gleich erfasse. Bis ich die Aufschrift lese: Community Syringe Disposal Unit , verstehe, hier können die Junkies ihre benutzte Nadel entsorgen. Wie fürsorglich. Warum den Ruinierten nicht eine umweltbewusste Umgebung bieten? Vorhanden natürlich auch die Mauscheleien zwischen Betreiber und servilen Politikern. Immer wieder gerät ein Deal an die Öffentlichkeit. Geld lockt, bis zu einer Million Dollar Gewinn machen sie in diesem Casino. In 24 Stunden.
    Hier kann man lachen und weinen. Per Rollstuhl, auf Krücken, mit einer dreifüßigen Vorrichtung für schwerst Gehbehinderte, mit dem Blindenstock, ja mit dem Blindenhund ziehen sie hier herein. Blindwütig auf der Suche nach Money, kein anderer Gott kann sie zu mehr Anstrengung verführen als die Aussicht auf den next jackpot . Und sie setzen sich vor die 1500 coin operated game machines , müssen nicht einmal mehr am Arm des Banditen ziehen, Knöpfe drücken genügt. Und sitzen und drücken und trinken und mampfen und – verlieren. Meistens, fast alle. So könnte auch ein Altersheim aussehen, wo sie Gerätschaften aufgestellt haben, um die Insassen vom Selbstmord abzuhalten. Born to be wild hängt als Spruch irgendwo, und darunter sieht man die verwelktesten, die abgewirtschaftetsten Figuren, die eine Großstadt zu bieten hat. Ich frage eine Frau, nicht mal fünfzig, und sie gibt die passende Antwort auf die Frage warum: »What else could I do?« Sie könnte noch die Problem Gambling Hotline anrufen, auch sie flimmert allerorts: »Just try 1800-622-112«. Das ist makaber und unheimlich komisch.
    Die Jüngeren

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