Im Land der Sehnsucht
Ideale. Zärtlichkeit, Rücksichtnahme und Mitgefühl zählten mehr für sie, doch einem Mann mit diesen Eigenschaften war sie noch nicht begegnet. Holt McMaster entsprach mehr dem Machotyp. Er war hart, verschlossen und äußerst selbstbewusst. Eine Frau, die sich mit ihm einließ, konnte große Enttäuschungen erleben und tiefe seelische Wunden davontragen.
Marissa saß da und wartete angespannt auf Holts Entscheidung. Wenn er Nein sagte, würde es bei Riley wahrscheinlich nicht ohne Tränen abgehen. Es war nicht leicht, eine gute Ersatzmutter zu sein. Du liebe Güte, wieso dachte sie schon dasselbe wie alle anderen? Es ging doch darum, eine gute Schwester zu sein.
„Okay, Miss Devlin.“ Holt lächelte flüchtig. „Ich bin bereit, es mit Ihnen zu versuchen. Vielleicht klappt es, vielleicht nicht. Ich will Ihnen nicht verschweigen, dass Georgy mehr als schwierig, manchmal geradezu unausstehlich ist. Ab und zu wird meine Großmutter Sie bitten, ihr vorzulesen. Sie sieht nicht mehr gut und freut sich, wenn sie Gesellschaft hat. Sie ist eine außergewöhnliche Frau.
Georgina und Riley können gemeinsam lernen. Die langen Sommerferien stehen unmittelbar bevor, trotzdem ist es sicher vernünftig, den Unterricht nicht ganz auszusetzen. Im Übrigen hängt es nicht nur von Ihnen ab, ob unser Plan gelingt. Georgy ist zwar intelligent, jedoch ein schwieriges Kind. Sie neigt zu Wutausbrüchen, wenn ich nicht zu Hause bin, und das ist ziemlich oft der Fall. Meine Zeit reicht kaum aus, um ‚Wungalla‘ mit seinen Außenstellen erfolgreich zu bewirtschaften. Meist bin ich von morgens bis abends unterwegs, falls mich wichtige Geschäfte nicht ganz von der Ranch fernhalten.
Hausarbeit wird nicht von Ihnen erwartet. Dafür haben wir eine Wirtschafterin … Olive, kurz Olly genannt. Sie ist seit dreißig Jahren bei uns und verdiente einen Orden dafür. Die Hausangestellten, zum größten Teil Aborigines-Mädchen, arbeiten gern im ‚Großen Haus‘, wie sie die Farm nennen, und werden von Olly betreut.“ Holt machte eine kurze Atempause und lehnte sich erwartungsvoll lächelnd zurück. „Nun, Miss Devlin, wie klingt das?“
„Wie die Erfüllung meiner sehnlichsten Wünsche.“
„So sollten Sie es nicht ansehen“, warnte er sie.
„Darf ich fragen, welches Gehalt Sie mir dafür zahlen wollen?“, fragte Marissa, nun ganz Geschäftsfrau.
Holt schien zu überlegen, bevor er antwortete: „Sie können kaum eine Entlohnung erwarten, ehe wir Sie besser kennengelernt haben.“
„Das soll wohl ein Scherz sein.“
„Natürlich“, gab er sofort zu. „Ich hoffte, Ihnen wenigstens ein Lächeln entlocken zu können. Ich bin nicht das Ungeheuer, für das Sie mich halten.“
Marissas Herz begann heftig zu klopfen. „Das habe ich nicht getan.“
„Was für ein Glück. Sie haben mich eben nämlich sehr kritisch angesehen.“ Er hatte es also bemerkt. So ein Pech! „Das war nicht meine Absicht, Mr. McMaster.“
„Umso schlimmer, doch wir sollten beim Geschäftlichen bleiben. Kost und Logis sind natürlich frei. Was haben Sie in Ihrer Schule verdient?“
Marissa nannte die Summe etwas zögerlich. Sie hatte ein sehr gutes Gehalt bezogen, das sie unter den gegebenen Umständen keineswegs erwarten konnte.
Doch Holt überraschte sie abermals. „Das war nicht genug, um sorgenfrei davon zu leben“, meinte er.
„Wir hatten unser Auskommen“, entgegnete Marissa. „Männer wie Sie haben da natürlich ganz andere Vorstellungen.“
„Was wollen Sie damit sagen?“ Marissa errötete. „Ich habe noch ein kleines Sparguthaben von meiner Großmutter, das für Rileys Ausbildung vorgesehen ist … genauer gesagt, für einen Internatsaufenthalt. Wenn er zehn Jahre alt ist, möchte ich ihn dort unterbringen.“
„Ein löblicher Vorsatz.“ Holts Anerkennung war nicht frei von Spott. „Sie könnten aber auch reich heiraten.“
„Geld ist nicht alles, Mr. McMaster, und es löst auch nicht unbedingt Probleme.“
Holt seufzte. „Wie wahr, wie wahr. Wären Sie mit der folgenden Summe einverstanden?“ Er nannte einen Betrag, der überraschend hoch war, wenn man die kostenlose Unterbringung berücksichtigte.
„Mehr als das“, gab sie ehrlich zu und lächelte zum ersten Mal an diesem Vormittag.
„Fantastisch! Endlich sehen Sie mal etwas fröhlicher aus. Und was soll mit Ihrem Hund geschehen … diesem Dusty?“
„Er ist ein bemerkenswertes Tier“, beteuerte Marissa, die immer bereit war, Dusty zu verteidigen. „Und er hat
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