Im Land der Sehnsucht
halten, obwohl Schweigen klüger gewesen wäre. Es ärgerte sie zu sehr, dass ihre widerspenstige Nichte sich offenbar zu dieser merkwürdigen neuen Mutter hingezogen fühlte.
„Du bist nicht gefragt!“, schrie Georgina sie an. „Ich spreche mit Marissa.“
Lois wandte sich Hilfe suchend an ihren Exschwager. „Findest du das richtig, dass Georgina in diesem Ton mit mir spricht, Holt?“
„Es tut mir leid“, antwortete er gequält. „Ich war nicht ganz bei der Sache. Das reicht jetzt, Georgy. Entschuldige dich bei deiner Tante.“
„Okay, okay, Holt.“ Georgina dachte jedoch nicht daran, zu gehorchen. Sie führte einen kleinen Stepptanz auf und blieb mit ausgestreckten Armen vor Lois stehen. „Vergib mir, Tantchen!“
„Komm, Georgy“, stöhnte Holt, „gönn uns eine Pause. Du hättest als Kinderstar Karriere machen sollen. Geh nach draußen, und leiste Riley Gesellschaft, bis wir Dusty angebunden haben. Danach solltet ihr euch die Hände waschen, denn es gibt gleich Essen.“
„Verbindlichsten Dank, Sir.“ Georgina lächelte ihn triumphierend an, weil sie die gleiche Anrede für ihren Vater benutzt hatte wie Riley. Dabei knickste sie vor Holt und rannte dann auf die Terrasse.
Marissa musste gegen ihren Willen lachen. Georgina hatte das Talent einer Showmasterin, nur Lois fand das gar nicht lustig. „Sie sollten das Kind nicht auch noch ermutigen“, befahl sie Marissa mit einem Blick, der töten konnte.
„Schon gut, Lois“, mischte sich Holt erneut ein und verfolgte, wie Georgina sich neben Riley auf die Verandatreppe setzte und ihm einen kameradschaftlichen Stoß gab. Vielleicht wird der Junge an die Stelle von Zoltan treten und mäßigend auf sie einwirken, dachte er hoffnungsvoll.
„Ich nehme an, Sie sagen über sich und den Jungen absichtlich nicht die Wahrheit“, attackierte Lois Marissa aufs Neue.
„Warum sollte ich lügen?“, entgegnete Marissa, ohne ihren Ärger zu zeigen. Lois Aldridge war ja noch schlimmer als Tante Allison in Brisbane!
„Ja, warum?“, höhnte Lois. „Kein halbwegs vernünftiger Mensch wird Ihre Geschichte glauben.“
„Schluss jetzt, Lois!“, fuhr Holt scharf dazwischen. „Das muss sich Marissa nicht anhören. Kümmere dich gefälligst um deine Angelegenheiten.“
„Das sagst du … nach allem, was ich für euch getan habe?“ Lois ballte wütend die Hände zu Fäusten. „Kein Tag vergeht, an dem dieses schreckliche Kind nicht schreit und tobt, und wer macht sich darüber Gedanken? Ich allein.“
„Du weißt genau, dass das nicht stimmt.“ Holt beherrschte sich meisterlich. „Du hast uns sehr geholfen, Lois, und ich habe dir oft gesagt, wie dankbar wir sind. Trotzdem wird es besser sein, wenn du dich für eine Weile von Georgy erholst.“
Marissa wäre jede Wette eingegangen, dass Lois ein Dutzend noch wilderer Kinder ertragen hätte, um in Holts Nähe zu sein. Wahrscheinlich wusste Holt das auch, und trotzdem gab er ihr den Laufpass.
Plötzlich sah Marissa klar. Holt hatte sie engagiert, um seine Exschwägerin loszuwerden. Seine Menschenfreundlichkeit war also pure Berechnung! Das wusste auch Lois, jedenfalls ließ ihr Gesichtsausdruck darauf schließen.
„Was sagst du da, Holt?“, fragte sie mit versagender Stimme.
Zeit für, dachte Marissa. Was jetzt kommt, ist nicht für meine Ohren bestimmt. „Würden Sie mich bitte entschuldigen?“, fragte sie. „Ich habe oben eine Leine für Dusty und werde sie holen. Es dauert nicht lange.“
Lois Aldridge hatte sich ihr gegenüber nicht von der nettesten Seite gezeigt, trotzdem empfand sie doch so etwas wie Mitleid mit ihr. Es musste die Hölle sein, den Exehemann der eigenen Schwester zu lieben und von ihm ignoriert zu werden. Wahrscheinlich war sie schon als Brautjungfer in Holt verliebt gewesen und hatte nach der Scheidung der beiden wieder angefangen, sich Hoffnungen zu machen.
Arme Lois. Marissa kannte sie kaum, dennoch war ihr sonnenklar, dass Georginas Tante bei Holt McMaster keine Chancen hatte.
Georgina brauchte nur einen Tag, um festzustellen, dass es ihr in ihrem alten Zimmer nicht mehr gefiel. Der Westflügel, in dem die Devlins wohnten, übte einen unwiderstehlichen Reiz aus. Da das Mädchen es gewohnt war, seinen Willen – notfalls mit Hilfe von Wutanfällen – durchzusetzen, tat es alles, um Marissa für seinen Plan zu gewinnen.
„Bitte, Marissa“, unterbrach es immer wieder den Unterricht, „warum darf ich nicht zu euch ziehen? Das Haus ist so groß. Wir wollen
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