Im Land der tausend Sonnen
vor dem Buschfeuer warnen wollte. Nein … es hatte irgendwie mit Hanni zu tun …
Und nun dämmerte es ihm. Ohne die Spur eines Zweifels wusste Lukas, dass ihm von Keith Dixon Gefahr drohte. Und als zwei Reiter von Clonmel durch den verkohlten Wald kamen, fiel es ihm nicht schwer, sich vor ihnen zu verbergen. Sich flach in den Ruß und die Asche zu legen. Das war viel schlimmer, als im Schlamm zu liegen, dachte er, als er sie vorüber reiten hörte, schmutziger, klebriger, widerlich. Er musste grauenhaft aussehen. Hanni würde einen Anfall bekommen, wenn sie ihn so sehen könnte. Sie würde ihn mit dem Schlauch abspritzen müssen, um ihn vom gröbsten Schmutz zu befreien, bevor sie ihn zur Tür hereinließ.
Lukas ließ die Männer vorüberziehen. Er wusste nun, wo er sich befand, er hatte sich nicht verirrt. Er lag auf Jakobs Land. Er musste nur bis zu Jakobs Haus gehen, dann waren all seine Probleme gelöst. Sie würden Clonmel verlassen. Hanni würde sich freuen, sie wollte ja ohnehin fort. Sie würden zurück nach Bundaberg gehen; jetzt hatten sie ja ein bisschen Geld. Dort würden sie Arbeit finden. Sie könnten auch für eine Weile zurück zu Pastor Beitz gehen. Das wäre doch schön. All die anderen wiederzusehen. Seine Stirn war heiß. Sehr heiß. Wahrscheinlich hatte er wieder einen Sonnenbrand. Gott, an jenem ersten Tag, als er mit den Viehtreibern über die Hügelkette geritten war, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang draußen gewesen war … da hatte er einen schrecklichen Sonnenbrand, noch verstärkt durch den Wind. »Windbrand«, kicherte er. In der Vergangenheit hatte er sich schon mal einen Sonnenbrand im Schnee zugezogen, nicht besonders schlimm, im Winter war es ja kalt … Dieser Gedankengang versiegte, weil er nicht mehr wusste, in welchem Zusammenhang er stand. Und was immer es auch war, es war nicht annähernd so wichtig wie das, was er gerade geschafft hatte. Die Männer hatten ihn nicht gesehen. Waren vorübergeritten.
Lukas Fechner nickte in milder Befriedigung. Erste Mission erledigt. Jetzt musste er ein paar Stöcke suchen und sein Bein schienen, wie die Ärzte es taten, damit er zu Jakob gehen konnte. Er begann sich aus dem Graben zu ziehen, stöhnte vor Schmerzen, spuckte Asche und Ruß aus, und als er die Böschung bewältigt hatte, blieb er erschöpft liegen und betrachtete die Verwüstung vor seinen Augen. Dann weinte er. Nicht um sich selbst, das fiel ihm nicht ein. Nein, Lukas weinte um Jakob Meissner. Über die Verheerung seines schönen Landes. Durch die Tränen wurde sein Gesicht noch schmutziger. Der Schmutz erinnerte ihn daran, dass er, sobald er auf die Füße gekommen war, sehr vorsichtig meilenweit durch tiefe Asche würde waten müssen.
Er blinzelte. Meilen? Konnte das sein? Nein! Jakob hatte, soweit er wusste, Morgen, nicht aber Quadratmeilen gekauft. Diese Maßeinheiten hatte er von Sam gelernt. Um sich mit den Entfernungen vertraut zu machen, so dass er eines Tages mit genau dem richtigen Maß an Gleichmut würde sagen können: »Nicht weit. Ein Stück die Straße hinauf. Nur etwa fünfzig Meilen.«
Dieser Gleichmut, diese sorglose Stimmung überkam ihn jetzt. Er bewegte sich auf dem Hinterteil vorwärts, zog das Bein nach. Riesige Bäume standen im Wald umher wie schweigende Witwen. Am Morgen würde er sich an einem dieser Skelette hochziehen, dann würde sein Weg einfacher, indem er sich von einem Halt zum nächsten hangelte. Und die ganze Zeit über rechnete er im Kopf. Rechnete in Morgen und Quadratmeilen und Meilen, versuchte herauszufinden, wie viel neunzig Morgen in Meilen, in echter Entfernung waren.
Das hatten sie drüben auf Clonmel gesagt. Dass all diese Landstücke auf jeweils neunzig Morgen bemessen waren. Allerdings sprachen die Leute auf der Schafzuchtfarm nicht von Landstücken, sondern verächtlich von Schweineställen, so sehr blickten sie auf diese kleinen Farmen herab. Sogar auf Farmen mit neunzig Morgen Land, überlegte Lukas. Und die Farmer nannten sie Cockies, nach den Kakadus, Vögeln, die in großen Scharen einfielen und sich niederließen, wo sie nicht erwünscht waren. Zu seiner Schande hatte Lukas seine Nachforschungen über das von seinem Freund Jakob Meissner gepachtete Land erst aufgenommen, nachdem er erkannt hatte, dass er sich im gegnerischen Lager befand. Er hatte sich sogar auf der Seite der Familie Dixon gesehen. Was für eine grausame
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