Im Land der tausend Sonnen
Körper wirkte erschlafft, und ihre Kleidung, gewöhnlich immer so adrett, sah ungebügelt aus. Das war natürlich nicht ihre Schuld. Diese primitiven Hütten draußen in der Gemeinde waren nicht der richtige Ort für Damen.
Das hatte Eva bereits gesagt, und sie würde es immer wieder sagen.
»Er ist auf dem Weg der Genesung«, sagte Hanni.
»Oh mein Gott! Das wusste ich nicht. Wie muss er gelitten haben! Und das Bein?«
»Er wird für lange Zeit einen Gips tragen müssen. Es ist alles so schrecklich, Eva«, weinte sie. »Er hat Verbrennungen am Rücken, und sogar seine Hände mussten wir verbinden. Er hat sich die Haut abgeschürft, als er über den verbrannten Boden kroch.« Sie weinte noch heftiger. »Ich weiß nicht, was ich tun soll. Wir haben jetzt beide keine Arbeit mehr. Ich weiß einfach nicht, wohin ich mich wenden soll …«
»Du hast immer noch Pastor Beitz, Hanni. Er wird euch nicht verhungern lassen. Wein doch bitte nicht so. Alles wird wieder gut.«
»Wie kannst du das sagen, Eva? Ich hasse das Leben hier draußen. Du willst doch selbst nicht in der Gemeinde leben.«
»Ich werde es aber vielleicht müssen. Ich kann nicht in unserem Häuschen bleiben, der neue Geschäftsführer zieht ein. Aber, Hanni, ich habe Arbeit …«
»Tatsächlich? Wo?«
»In dem neuen Hotel. Dem Royal. Ich bin Küchenmädchen, aber die Köchin ist nett. Sie sagt, wenn ich mich eingearbeitet habe, kann ich an ihrem freien Tag für sie einspringen. Ich habe nie geglaubt, dass ich als verdammtes Küchenmädchen enden würde, aber was soll ich tun?«
»Gibt es noch mehr Arbeit in dem Hotel?«, fragte Hanni begierig.
»Nein. Es gibt eine Kellnerin und Männer, die die Theke putzen. Ich habe Kuchen für Lukas mitgebracht und sollte jetzt hineingehen. Kommst du mit?«
»Ich kann nicht. Ich bin so fertig. Ich werde durch die Stadt gehen und an jede Tür klopfen, um Arbeit und eine Unterkunft zu finden, selbst wenn ich Lukas für eine Weile bei Pastor Beitz lassen muss. In ein paar Tagen kann er das Krankenhaus ja verlassen.« Sie hielt inne und nahm Evas Arm. »Entschuldige. Ich lade dir meine Sorgen auf, und du hast doch selbst genug Ärger. Wie geht es den Kindern?«
»Gut. Sie sind so glücklich hier. Jetzt gehen sie zur Schule, in eine neue Schule, die es erst seit ein paar Wochen gibt, und alles wäre in bester Ordnung, wenn ich nur eine Wohnung finden würde. Übrigens, Hanni, erwähne Pastor Beitz gegenüber mit keinem Wort, dass die Kinder immer noch in die staatliche Schule gehen. Er hat es verboten.«
Hanni straffte sich. »Lass sie bloß da! Lass dir von ihm nichts befehlen. Und sprich mit deinem Vermieter. Ich finde es grausam von ihm, eine Mutter mit Kindern auf die Straße zu setzen.«
»Oh nein. Mr Jolly trifft keine Schuld. Er ist ein überaus freundlicher junger Mann … und sieht obendrein auch gut aus. Es war von vornherein abgemacht, dass wir nur eine Weile in dem Häuschen wohnen würden. Noch so eines von Theos unausgegorenen Geschäften.«
Hanni fragte nicht, wie es Theo als Goldgräber erging. In der Hinsicht gab es offenbar keine guten Nachrichten. Noch nicht. Hanni kam in den Sinn, dass Lukas, wenn er doch nur arbeitsfähig wäre, sich als letzten Ausweg den Goldgräbern anschließen könnte. Anscheinend taten das sogar Frauen. Jeder konnte in die Berge gehen. Aber Lukas konnte nicht arbeiten, und wenn sie keine Arbeit fand, würden sie als Fürsorgefälle enden.
»Geh jetzt rein«, sagte sie zu Eva. »Und danke für den Kuchen. Er schmeckt bestimmt sehr gut.«
Sie blickte Eva nach, als diese über die Veranda des kleinen Krankenhauses schritt, und wünschte, sie selbst wäre auch von so zupackender Art. Die Ereignisse der letzten Zeit schienen ihr die Zuversicht geraubt zu haben. Und die Predigt, die Pastor Beitz ihr über das Übel des Trinkens gehalten hatte, sowie seine Forderung, zu bereuen und für ihre Sünden Buße zu tun, schmerzten noch immer.
Sünden, dachte sie wütend. Was weiß er denn von Sünden? Da könnte ich ihm einiges erzählen. Schon aus Prinzip sprach sie nie ein einziges von den zusätzlichen Gebeten, die er ihr als Buße auferlegt hatte.
Sie hätte gern ein Stück von dem
Weitere Kostenlose Bücher