Im Land der tausend Sonnen

Gründe hatte, Sie rauszuwerfen.« Er wandte sich zum Gehen. »Ich will darüber nachdenken.«
            »Nein, das werden Sie nicht!«, rief Lukas ihm nach. »Sie werden es tun!«
             
            Wochen waren vergangen, und Theo war noch nicht zurück. Er hatte nur zweimal geschrieben, jeweils um mitzuteilen, dass der ganz große Goldfund unmittelbar bevorstand, doch bislang war er noch ausgeblieben, wie Eva vermutete. Dass er sie so im Stich gelassen hatte, würde sie ihm nie verzeihen. Und Rosie und Rolf würde sie nie verzeihen, dass sie sie aus dem Haus gedrängt hatten. Das war unglaublich egoistisch von ihnen, ganz gleich, was sie sagten. Kleine Kinder auf die Straße zu setzen! Freunde so zu behandeln! Wenn Theo heimkam, würde er etwas dazu zu sagen haben. Sie glaubte nicht eine Sekunde lang, dass ein so netter Mensch wie Les Jolly nicht zulassen wollte, dass sie sich das Haus teilten. Nur weil Rolf jetzt Geschäftsführer der Sägemühle war, trugen er und Rosie die Nase hoch, mehr steckte nicht dahinter. Und dann noch Beitz, der sich weigerte, sie »unter unsere Fittiche zu nehmen«, wie er sich ausdrückte, solange sie die Kinder nicht von dieser »heidnischen« Schule nahm. Sie hatte versucht, ihn zu überzeugen, dass es eine gute Schule ist, eine staatliche Schule mit ausgebildeten Lehrern.
            »Ausgebildet worin?«, fuhr er sie an. »Bis zehn zu zählen? Ich lasse nicht zu, dass unsere Kinder von diesen Heiden verdorben werden. Welche Gebete bringen sie ihnen bei? Welche Religion?«
            Eva hütete sich einzugestehen, dass der Religionsunterricht der Schule im Sinne der Kirche von England erfolgte, wenngleich die Gebete ziemlich ähnlich klangen. Stattdessen antwortete sie mit Lob für die Lehrer, die den Kindern so freundlich beim Erlernen der englischen Sprache halfen.
            »Mr Hackett weiß, wie schwer es den Kindern fällt, den Unterrichtsstoff zu verstehen, wenn sie gleichzeitig noch die Sprache lernen. Er gibt ihnen nach der Schule privat Nachhilfeunterricht.«
            Pastor Beitz ließ sich nicht beeindrucken. »Frau Zimmermann, erinnern Sie sich an den ursprünglichen Sinn unserer gemeinschaftlichen Emigration. Sie scheinen vergessen zu haben, dass der Schutz unserer Religion, unserer Tradition und unserer Sprache Teil meiner Mission ist. Haben Sie verstanden, Madam? Unserer Sprache. Wollen Sie zulassen, dass Ihre Kinder ihr kulturelles Erbe vergessen? Ihre Einstellung schockiert mich. Dazu wäre es nie gekommen, wenn Theo in der Stadt wäre. Weiß er, dass seine Kinder auf den falschen Weg geschickt werden?«
            Eva ertrug es nicht mehr. Er hatte ihr bereits so große Schuldgefühle eingeredet, dass sie Angst um ihr Seelenheil hatte, doch selbst das würde sie in ihrer Entschlossenheit, die Kinder vernünftig erziehen zu lassen, nicht von einem Priester, sondern von einem richtigen australischen Lehrer wie Mr Hackett, nicht erschüttern. Damit sie die Prüfungen machen konnten, die in den Augen der maßgeblichen Leute wichtig waren. Weder sie noch Theo hatten eine richtige Ausbildung bekommen. Theos Familie war zu arm dazu; er hatte im Alter von acht Jahren schon als Schornsteinfeger gearbeitet, mit zehn hatte er auf dem Hamburger Fischmarkt Fische ausgenommen, dann war er weggelaufen, um sein Glück auf eigene Faust zu versuchen.
            »Und er läuft immer noch«, seufzte Eva.
            Nachdem sie nicht willens war, sich auf Beitz' Bedingungen einzulassen, ging Eva zurück in die Stadt, kaufte ein Zelt aus Segeltuch und schlug am Flussufer etwas abseits der Quay Street ihr Lager auf. Aus Mitleid half ihr Bob, der scheidende Geschäftsführer der Sägemühle, beim Umzug und versprach, noch einmal mit Les Jolly zu reden.
            Doch Jolly wiederholte: »Wie gesagt, Bob, das Haus soll die Wohnung des Geschäftsführers sein – keine Pension. Wenn die verdammte Stadt eine anständige Pension braucht, dann baue ich eine, sobald ich ein paar Dollar zusammengekratzt habe. Du machst jetzt den Weg frei für Rolf, damit er nicht in eine Situation gerät, die sich dann nie mehr ändern lässt. Theo ist ein Taugenichts. Typen wie er scheren sich weder um Mieten noch um Rechnungen, glaub mir. Selbst wenn er auf den Goldfeldern auf eine Mine stoßen würde, käme er doch pleite nach Hause. Diese Leute leben nach einem festen Muster, Bob. Ich muss es schließlich wissen, mein Vater war auch so