Im Land der tausend Sonnen
nickte.
»Kommst du, Nora?«, rief er. »Ich darf mich nicht verspäten.«
Sie griff nach ihrem Schultertuch. »Gute Nacht, Vater.«
»Er kann Keith nicht schlagen«, warnte er sie.
»Ich weiß.« Sie lächelte. Jetzt wäre es vielleicht einfacher, eine Erklärung für Walther zu finden. Sie mochte Walther immer noch, doch eine Beziehung mit ihm erforderte zu viele Umstellungen. Und außerdem, überlegte sie, als sie das Haus verließ, ich glaube, ich bin in Les verliebt. Genauso wie in Walther. Das Dumme ist, ich habe keinerlei Erfahrung in der Liebe. Wie soll ich mich in diesen Dingen auskennen?
Sie lächelte Les an und nahm seinen Arm, wohl wissend, dass sie nun den ersten Schritt in die Ehe tat. Sie dachte an die Worte ihrer Großmutter: »Die Ehe, meine Liebe. Das kann ein Spaß sein oder ein Fiasko. Am Anfang ist es schwer zu sagen, was daraus wird.«
»Stimmt«, seufzte Nora.
»Was denn?«, fragte Les.
»Ich weiß nicht«, antwortete sie. »Les, alle sagen, Sie könnten nicht gewinnen.«
»Das stimmt«, sagte er und drückte ihren Arm an sich. »Keine Hoffnung. Aber ich stelle Weichen, wissen Sie. So, als würde ich Gleise in die Wildnis legen. Lasse alles stehen. Komme zurück und rücke dann ein bisschen weiter vor. Harte Arbeit, aber Stück für Stück öffnet sich das Land, den Vermessern, den Siedlern … Das ist meine Strategie, Nora. Ich stecke meinen Claim ab. Ich sage: ›Es soll nicht für immer nur nach eurer Nase gehen. Ich bin euch hart auf den Fersen.‹«
»Also ist dieser Wahlkampf gar nicht echt.«
»Nicht echt? Es ist todernst, meine Liebe. Und Dixon weiß das. Dieses Mal schafft er es wahrscheinlich, aber beim nächsten Mal dränge ich ihn raus.«
»Du lieber Himmel«, sagte sie, und dann sah sie Walther auf sich zukommen. Vielleicht war er sogar auf dem Weg zu ihr nach Hause.
Sie rief ihn an, doch er machte rasch kehrt und verschwand im Dämmerlicht der feuchten Nacht.
Walther bereute es, sich abgewandt, die beiden nicht beachtet zu haben. Das hatte er nicht tun wollen. Es war eine spontane Reaktion gewesen, die Angst, dass er nicht wissen würde, was er sagen sollte, schon gar auf Englisch. Er wusste seit geraumer Zeit, dass Les Jolly sich für Nora interessierte, hatte sie sogar schon zusammen gesehen, wenngleich er Nora gegenüber, wenn sie mal Zeit für ihn fand, nichts davon erwähnt hatte. Am besten war es, diese Liebesgeschichte ihren Lauf nehmen zu lassen. Und so waren sie beide in stillere Gewässer geraten und bei einer Freundschaft angelangt, die von Dauer sein würde. Das wollte er Nora gern erklären und Les deutlich machen, dass er ihm nicht grollte. Les war im Grunde auch viel besser geeignet als Ehemann für eine Miss Stenning …
Max Lutze holte ihn ein. »Schau dir nur all diese Leute an, die kommen, um Mr Jolly zu hören. Das ist ein gutes Zeichen, nicht wahr?«
»Mag sein. Aber ich vermute, dass sie vorher alle bei Mr Dixon waren. Also ist es schwer zu sagen.«
Ein Stückchen weiter vorn entdeckte er Eva und die Kinder, lief zu ihnen, packte die kleine Inge und warf sie in die Luft. »Wer möchte einen Bonbon?«, fragte er, als sie sich dem Laden näherten, und natürlich wollten alle Kinder. Er gab ihnen ein paar Pennies und schickte sie los.
»Du verwöhnst sie«, sagte Eva, und Walther lachte.
»Warum nicht? Sie sind so brave Kinder.« Er sah Mr Hackett an. »Wie machen sie sich in der Schule?«
»Sehr gut, Mr Badke. Ich habe viel Freude an ihnen.«
Sie schlenderten auf die andere Straßenseite, wo Les unter dem großen Feigenbaum von Moreton Bay eine Plattform errichtet hatte, und frischten Bekanntschaften auf, bis sich alle Zuhörer eingefunden hatten.
Bald schon stand Les auf der Plattform und rief sein Publikum näher heran, um sich besser verständlich machen zu können. »Meine Damen und Herren … Dies ist ein wichtiger Anlass …«
Walther hörte nur mit halbem Ohr zu. Am Rande der Versammlung hörte er die Kinder toben, und ihm kam in den Sinn, dass er selbst gern eigene Kinder hätte. Das wäre eine Freude.
Dazu braucht man aber zunächst mal eine Ehefrau, sagte
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