Im Land der tausend Sonnen
Dixon«, meldete ihm ein Hafenarbeiter respektvoll. »Und etwa vierzig Ballen Wolle, die im Lagerhaus aufs Verladen warteten. Sind inzwischen wahrscheinlich weit flussabwärts getrieben. Gibt es Verletzte?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
Er hörte eine Stimme rufen: »Du lügst!«, und fuhr erschrocken herum. Aber da war niemand.
Der Hafenarbeiter hatte wieder die Holme seiner Schubkarre ergriffen und sammelte Unrat auf. Er hob den Kopf. »Kommen Sie dem Schiff nicht zu nahe, Mr Dixon«, sagte er leise und zwinkerte ihm zu. »Cholera. Wie ich hörte, haben die die Cholera an Bord.«
Keith nickte. Was ging es ihn an? Als er vom Pferd stieg, wurde ihm schwindlig. Er brauchte dringend einen Drink. Whisky. Er führte das Pferd zum Stall hinter O'Malleys Pub, ließ es dort zurück und gesellte sich zu den Männern, die sich in der Bar versammelt hatten.
»Die ganze Veranda!« O'Malley lachte. »Hat sich losgerissen und ist in alle Winde geflogen. Wenn jemand morgen meine Veranda findet, wäre ich ihm sehr dankbar, wenn er sie zurückbringt.«
»Die ist wohl längst in Brisbane«, bemerkte jemand und lachte.
Keith goss einen Whisky hinunter, schob sich zum Tresen vor, um einen weiteren zu bestellen, und sah sein Gesicht gegenüber im Spiegel hinter den Flaschenregalen. Doch da waren zwei Gesichter. Seines und das des Geistlichen. Entsetzt stand er starr, unfähig, den Blick vom Spiegel zu lösen, und wartete darauf, dass das Gesicht verschwand, doch es blieb. Keith blieb mit seinem zweiten Drink in Sichtweite der Erscheinung. Neugierig. Ungläubig. Er fand, dass die Gesichtszüge nicht unähnlich waren, wenngleich er blondes Haar und sein Opfer hässlich rotbraunes hatte. Er fand, dass er entschieden besser aussah als dieser Schuft. Aussehen musste.
Nach dem dritten Drink begann er, sich Sorgen zu machen. Der Geist war immer noch da. Die anderen Gäste redeten über das Unwetter, den Schaden, stritten über die Gewalt des Windes. Schwelgten in Erinnerungen, prahlten mit schlimmeren Stürmen, die sie erlebt hatten, und Keith gehörte zu ihnen und doch auch wieder nicht, wegen dieses Gesichtes hinter seiner Schulter, dort im Spiegel.
Glocken klingelten. Wieder klapperte der Rettungswagen die Straße entlang.
»Ist wohl doch jemand verletzt. Kein Wunder.«
»Ich wäre beinahe selbst ums Leben gekommen. Ein Baum hat mich um Zentimeter verfehlt.«
»Das hast du uns jetzt schon drei Mal erzählt, Lofty.«
»Aber es stimmt …«
Zwei durchgegangene Pferde erschwerten dem Kutscher des Rettungswagens seine Arbeit, als der das Opfer auf schnellstem Weg ins Krankenhaus brachte. Constable Colley saß neben ihm. Der Kutscher wollte die Leiche direkt in die Leichenhalle bringen, doch das ließ Colley nicht zu.
»Erst mal ins Krankenhaus. Ich nehme die Verantwortung nicht auf mich, ihn für tot zu erklären. Das ist Strauss' Angelegenheit.«
»Falls er da ist.«
»Ist er sicher. Heute Nacht hat es bestimmt ein paar Knochenbrüche gegeben.«
Drewett, der Zeuge, folgte auf Colleys Pferd, begleitet von Charlie Mayhew.
Charlie und Clem hatten sich gerade erst aus dem fragwürdigen Schutz des Polizeipostens hervorgewagt, der mehrere Male während des Sturms zusammenzubrechen drohte, und standen zitternd draußen, froh, unverletzt überlebt zu haben. »Ich dachte jeden Moment, der Schuppen würde einstürzen«, sagte Charlie. »Ich konnte mich nicht entscheiden, ob wir drinnen oder draußen sicherer sein würden.«
»Ist sowieso nicht mehr als ein zu groß geratener Lokus«, knurrte Clem. »Schade, dass er nicht eingestürzt ist. Vielleicht hätte ich dann ein anständiges Büro gekriegt.«
Sie gingen hinüber, um einen mächtigen Baum in Augenschein zu nehmen, der quer über die Mündung von Sandy Creek gefallen war. Dort hielten sie sich immer noch auf, als Billy, der schwarze Viehtreiber, sie fand.
»Hey, Clem. Sie sollen schnellstens rüberkommen zur Wiese bei der Progress Hall. Da ist einer erschossen worden.«
»Wer sagt das?«
»Mr Drewett. Ich bin dort vorübergeritten, da rief er mir zu, ich soll Sie holen.«
»Auf der Wiese
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