Im Land der tausend Sonnen
»Ja. Schlangen, Eidechsen, Buschtruthähne, Wurzeln, Beeren … Sie finden Unmengen an Essbarem.«
Der Pastor klatschte entzückt in die Hände. »Was sagen Sie dazu, Jakob? Der Herr hat’s längst für uns gerichtet. Wir werden das Handwerk der Jagd erlernen.«
Jakob sah, dass Jim grinste, als er sich umwandte, nicht so sehr über die Bemerkung des Pastors, sondern eher über Friedas Gesicht. Es war kreideweiß.
»Geht es dir nicht gut, meine Liebe?«, fragte er, doch sie wandte sich hoch erhobenen Hauptes ab und weigerte sich, ihren Schrecken einzugestehen. Frieda war hübsch, sie zog immer wieder seine Bewunderung auf sich. Jetzt tat es ihm Leid, dass er sie aufgezogen hatte, denn den Umständen nach zu urteilen lagen erhebliche Schwierigkeiten vor ihnen. Als sie in die Hauptstraße der verschlafenen Siedlung einbogen, wo zu beiden Seiten müde Pferde angebunden standen und kaum eine Menschenseele zu sehen war, schüttelte Jakob verwundert den Kopf.
»Wir müssen verrückt sein«, sagte er zu sich selbst. »Hier gibt es nichts, hier wird es nie was geben. Wir sollten ganz von hier fort, solange wir es noch können. Zurück in diese Stadt Brisbane. Die ist zumindest zivilisiert.«
Das war die erste Frage, die er seiner Frau und seinem Sohn stellte, als sie an diesem milden Abend zusammen am Flussufer saßen.
Frieda war zufrieden mit sich selbst. Sie hatte den alten Pastor dazu überreden können, ihr Geld auf die Bank zu bringen, die in einem winzigen Holzhaus von der Bank of New South Wales betrieben wurde. Er war nicht allzu begeistert von diesem Plan, doch sie hatte ein paar weitere Frauen zusammengerufen, die ihr halfen, ihn zu überzeugen, und sie hatten Walther Badke ausersehen, die Dokumente mit Pastor Beitz zusammen zu unterzeichnen. Dann hatte sie die Rückzahlung des Geldes gefordert, das ihr Mann für Lebensmittel ausgegeben hatte, und Walther sorgte dafür, dass das unverzüglich geregelt wurde.
Als Jim anbot, der deutschen Gruppe in seinem Laden einen Kredit einzuräumen, war Pastor Beitz entzückt und bemerkte, dass er das überaus großzügig fände. Walther wandte sich an Frieda.
»Versteht er überhaupt, was gemeint ist, Frau Meissner?«
»Ich glaube nicht, dass er schon jemals mit Geldangelegenheiten zu tun hatte, Walther. Wahrscheinlich glaubt er, der Kredit wäre ein karitativer Beitrag zu unserer Sache.«
»Es ist eine große Verantwortung, an seiner Seite zeichnungsbefugt zu sein«, beschwerte sich Walther. »Ich weiß nicht, ob mir das behagt.«
»Sie werden es schon richtig machen. Falls Sie Fragen haben, wenden Sie sich an Mr Rawlins, den Bankdirektor. Er macht einen sehr netten Eindruck.«
»Das stimmt. Aber diese Bank wirkt komisch. Glauben Sie, dass sie echt ist?«
Frieda lachte, als sie diese Geschichte erzählte.
»Der arme Walther. Uns ist gar nicht aufgefallen, wie besorgt er war, weil er fürchtete, er würde dazu beitragen, dass wir all unser Geld verlieren, indem er es einem Scharlatan aushändigt.«
»Ich kann’s ihm nicht verdenken«, sagte Karl. »Die Bank ist nichts weiter als eine Holzhütte. Sieht nicht aus wie eine Bank. Dieses Land ist wirklich merkwürdig.«
»Oh weh. Gefällt es dir nicht?«, fragte Frieda – etwas unklug, wie Jakob meinte –, doch die Antwort überraschte ihn. »Doch! Es ist aufregend. Aber Vater, wir benötigen hier dringend eigene Pferde. Das hat auch der Schmied gesagt. Er sagt, kein Mensch geht zu Fuß, alles ist viel zu weit hier. Deswegen sind in der Stadt auch nie viele Leute zu sehen. Die, die außerhalb leben, kommen nur gelegentlich her und kaufen Vorräte für viele Monate. Eine Gruppe von Reitern ist heute eingetroffen, und der Schmied sagte, sie wären Viehtreiber, die kommen, um ihr Geld in der Kneipe zu lassen. Wirklich wilde Burschen waren das.«
»Du bist ja eine großartige Informationsquelle«, sagte sein Vater. »Du solltest weiterhin die Augen offen halten, wir brauchen das. Aber im Augenblick bin ich müde und verwirrt. Wir müssen morgen früh reden und überlegen, was wir aus dieser Situation machen.«
Doch am Morgen, als alle ihre Sachen packten, waren die Meissners noch immer nicht zu einem Entschluss
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