Im Land der tausend Sonnen
Burschen, die geben gern Geld aus.«
Deprimiert hörte sich Jakob das Gerede über die Stadt, ihr Wachstum und die Rückschläge an, selbst über die schockierende Entdeckung, dass es in einer Seitenstraße ein Bordell gab. Beitz hatte darüber auf dem Polizeiposten und bei dem neu geschaffenen Fortschrittskomitee eine Beschwerde eingereicht, aber ohne Erfolg. Er und Walther waren wirklich gut informiert über die kleine Ansiedlung, und es freute Jakob, dass sie in der Lage waren, sich derartig für den Ort zu interessieren.
»Ich schätze, du wirst nach Maryborough gehen müssen«, sagte Walther plötzlich.
»Nach Maryborough? Wieso?«
»Um dir einen Anwalt zu nehmen. Sonst kannst du auch gleich nach Hause gehen und zusehen, wie sie dir dein Holz stehlen.«
»Aber Maryborough liegt sechzig, siebzig Meilen entfernt von hier.«
Walther hob die Schultern. »Und? Dort gibt es Anwälte. Mehr als einen. Ich habe ihre Anzeigen in der Zeitung gesehen.«
»Ich werde den Weg nicht finden.«
»Lass mich mit Mr Tibbaling reden. Vielleicht findet er einen Führer für dich«, schlug Beitz vor. »Wir schicken einen von den Jungen zu ihm.«
Als die Lutzes von der Arbeit zurückkamen, hatte Walther für alle Abendbrot bereitet, wobei Tibbaling Ehrengast war. Jakob nahm Max Lutze zur Seite. »Kannst du Theo helfen, im Hafen Arbeit zu finden? Er ist nicht glücklich als Bullocky-Helfer.«
»Theo zu helfen, ist nicht leicht, Herr Meissner. Er ist faul, jeder weiß, dass er die Arbeit liegen lässt, sobald er etwas Geld hat, und in den Pub rennt. Sie sind mit der Miete für ihr Haus im Rückstand. Mr Cross, der Verwalter der Sägemühle, sagt, sie müssen bezahlen, bevor seine Frau eintrifft, oder sie fliegen raus.«
»Aber das ist ja schrecklich! Wo sollen sie dann wohnen?«
»Sie müssten hierher zurückkommen. So schlecht ist das gar nicht. Wir würden ihnen auch eine Hütte bauen.«
Jakob versuchte, die Sache von Evas Standpunkt aus zu betrachten. »Ich glaube nicht, dass Frau Zimmermann mit diesem Vorschlag einverstanden wäre. Weißt du, für sie ist ein Haus eben ein Haus, Max. Und fertig. Frieda denkt auch so.«
»Dann weiß ich nicht, was aus ihnen werden soll.«
Bevor Jakob sich auf eine Pritsche in der Hütte von Walther und den beiden Lutzes zur Ruhe begab, bezahlte er, wie Pastor Beitz es verlangte, den Zehnten – bevor seine Selbstsucht ihn überwältigte und er das Geld behielt. Danach schlief er sehr gut.
Am Morgen wurde er wie gewöhnlich vom Zetern und Kreischen und Singen der Vögel geweckt, und dieser Dämmerungschor war ihm schon so vertraut, dass er im ersten Moment glaubte, zu Hause auf seiner Farm zu sein. Bis Max ihn rief und ihn aufforderte, sich ihnen zum Morgengebet anzuschließen.
Tibbaling tauchte wieder auf. Sein dunkles, grau gesträhntes Haar hing ihm in verfilzten krausen Locken bis auf die Schultern. Sie gaben dem alten ledrigen Gesicht einen Anschein von Wildheit, doch die Augen verrieten das Gegenteil; sie waren ruhig und gesammelt.
»Du willst einen, der dich in die große Stadt führt?«
»Ja. Wenn es möglich ist. Ich muss irgendwie dorthin.«
Tibbaling nickte, und sein Blick streifte Jakob, bevor er wegsah. »Warum bist du in mein Land gekommen?«
Jakob seufzte. »Wir mussten fort. Wir waren zu viele. Hatten nicht genug Land. Nicht genug zu essen.« Er dachte, diese schlichte Erklärung würde reichen. Dann fügte er hinzu: »Ich will, dass mein Sohn bessere Möglichkeiten hat. Hier hat er mehr Luft zum Atmen.«
»Ah.«
Das Schweigen machte Jakob nervös. Er war beunruhigt. Vielleicht hatte er das Falsche gesagt, von wegen mehr Luft zum Atmen. Hier in Tibbalings Land. Wo die Eingeborenen an die Seite gedrückt wurden.
Doch dieses Mal überging Tibbaling den Fehler. Stattdessen murmelte er: »Was ist mit deinem anderen Sohn, Boss? Kriegt er kein Land?«
Jakob hätte sich beinahe verschluckt.
Er hatte das Gefühl, einen Hieb in den Magen bekommen zu haben. Ihm wurde brandheiß im Gesicht, sicher war er feuerrot geworden. Er war froh, dass niemand in
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