Im Land der tausend Sonnen
Zwischenzeit trocknete das Land mehr und mehr aus, und das Futter für die vielen Tiere wurde so knapp, dass es zum Erbarmen war, ansehen zu müssen, wie sie in Scharen im Staub nach ein paar kärglichen Grashalmen scharrten.
Der Wasserstand dieses Flussarmes war so niedrig, dass Sam, der Vormann, befahl, den eingetrockneten Schlamm auszugraben, um einen Zugang zu der seichten Quelle zu schaffen. Sie taten, was sie konnten, und dann begannen sie, Löcher für Zaunpfähle in die harte Erde zu hacken, damit sie die provisorischen Gatter für das Ausmustern der Schafe aufstellen konnten.
Lukas ahnte allmählich, was für ein Aufwand es sein würde, so viele Schafe zu kennzeichnen, zum Scheren in die Gatter zu bringen und sie alle auch noch zu füttern und zu tränken. Manchmal sehnte er sich nach den grünen Wiesen seiner Heimat.
Ursprünglich hatten die Viehtreiber an diesem Abend zur Farm zurückkehren wollen, aber sie hatten in der Nähe des Flussarms eine Herde Brumbies, Wildpferde, gesichtet, und Sam wollte die Gelegenheit wahrnehmen, ein paar von ihnen einzufangen.
»Dank der Trockenheit sind sie geschwächt«, sagte er. »Da haben wir vielleicht eine bessere Chance, sie zu fangen. Mit etwas Glück wehren sie sich nicht so energisch.«
Lukas wusste, dass Hanni ihn zu Hause erwartete, doch er konnte sich kaum gegen Sams Entscheidung stellen, und außerdem freute er sich wie alle anderen auch auf das Zusammentreiben der Wildpferde.
»Das ist keine leichte Arbeit«, hatten seine Freunde ihm erklärt, »und gefährlich noch obendrein. Diese verdammten Brumbies werden fuchsteufelswild, wenn wir sie zusammentreiben. Sie beißen und treten und wiehern, also halte Abstand.«
Am Morgen waren die Brumbies immer noch da, wollten ans Wasser, hielten jedoch Abstand, und die Männer machten sich an den Bau stärkerer Gatter aus kräftigen Schösslingen, die dem Gewicht und den Hufen wütender Wildpferde gewachsen sein würden.
Jemand äußerte sich über den dunkelvioletten Himmel am westlichen Horizont, der in starkem Kontrast zur Morgendämmerung stand und hoffentlich Regen brachte.
Sam schnupperte die Luft. »Riecht nicht nach Regen. Und seht euch diese Brumbies an; wenn Regen in der Luft läge, würden sie nicht so verzweifelt nach unserem Wasser gieren.«
»Könnte ein Staubsturm sein«, bemerkte einer der Männer, als Sam, um besser sehen zu können, unter den Bäumen hervortrat, aus denen sie Schösslinge geschnitten hatten.
»Noch weit weg«, sagte er und kniff die Augen zusammen. »Könnte Staub sein, verdammich.«
Staub?, wunderte sich Lukas. Nun, ich werde es früh genug erfahren.
»Staub!«, rief die Hauswirtschafterin und hastete durch das Speisezimmer. »Macht alles dicht.«
Hanni putzte die Spiegel; es war bald an der Zeit, den Tisch zum Mittagessen zu decken. Heute für drei Personen, da Mr Keith noch im Hause war, nicht wie gewöhnlich nur für zwei Frauen. Sein Vater war tagsüber immer unterwegs. Außer am Sonntag.
Sie fuhr verwundert hoch. »Macht alles dicht«, das hatte sie wohl gehört, doch die Worte waren so überstürzt, so unerwartet gekommen, dass sie nicht ganz begriff. Irgendetwas aber war schrecklich dringend, und so eilte sie in die Küche, die sie allerdings leer vorfand. Sie warf einen Blick in die Speisekammer und ging dann durch die Hintertür nach draußen, wo sie zu ihrer Verwunderung die Köchin sah, die hastig die Wäsche von der Leine nahm und sie der Wäscherin in die Arme legte.
»Was ist los?«, rief Hanni.
»Ein Staubsturm ist unterwegs, alles muss dicht verschlossen werden!«
»Oh!« Hanni rannte. »Oh Gott! Das Speisezimmer!« Sie kam noch rechtzeitig zurück, um die Fenstertüren zuzuschlagen, und lief dann in den Salon, doch dort hatte die Hauswirtschafterin schon nach dem Rechten gesehen.
Mrs Dixon stürzte aus der Bibliothek. »Sind alle Fenster und Türen in den Schlafzimmern fest verschlossen, Hanni?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Hanni bestürzt. Dieses Haus hatte mehr Türen und Fenster, mehr Ausgänge als ein Bienenstock, und obendrein keinen erkennbaren Grundriss. Mr Keith trat zu ihnen in den Salon, und seine Mutter fragte ihn
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