Im Land der weissen Rose
Entdeckers
berufen. Hoffen wir, dass sie sich friedlich einigen. So, und jetzt
bringe ich ihnen Rechnen bei – ob das meinem Gatten und deinem
Mr. Gerald nun passt oder nicht.«
Sah man von der Kälte zwischen Gwyneira und James ab, war die
Stimmung auf Kiward Station zurzeit ausgezeichnet. Gerald hatte die
Aussicht auf seinen Enkel beflügelt. Er kümmerte sich
wieder mehr um die Farm, verkaufte mehrere Zuchtwidder an andere
Viehzüchter und verdiente damit gutes Geld. James nutzte die
Gelegenheit, die Tiere zu ihren neuen Besitzern zu treiben, um
tagelang von Kiward Station wegzubleiben.Er ließ auch weitere
Rodungen durchführen, um mehr Weideland zu erschließen.
Bei den Berechnungen, welche Flüsse sich zum Flößen
nutzen ließen und welches Holz wertvoll war, machte sich sogar
Lucas nützlich. Er klagte zwar über den Verlust der Wälder,
protestierte aber nicht energisch – schließlich war er
froh, dass Geralds Spott ihm gegenüber verstummt war. Die Frage,
wie das Kind entstanden sein konnte, stellte er nie. Vielleicht
hoffte er auf einen Zufall, vielleicht wollte er es einfach nicht
wissen. Es gab ohnehin nicht allzu viel Zweisamkeit, die solche
peinlichen Gespräche ermöglicht hätte. Lucas stellte
seine nächtlichen Besuche sofort ein, nachdem Gwyneira ihre
Schwangerschaft offenbart hatte. Seine »Versuche« hatten
ihm also nie wirklich Lust bereitet. Dafür genoss er es, seine
schöne Frau zu porträtieren. Gwyneira saß brav für
ein Ölbild, und nicht einmal Gerald lästerte über
dieses Unterfangen.Als Mutter der kommenden Generationen gebührte
Gwyneiras Porträt ein Ehrenplatz neben dem Bild seiner Ehefrau
Barbara. Das fertige Ölbild fanden dann auch alle sehr gelungen.
Lucas selbst war nicht ganz zufrieden. Er fand, er habe Gwyneiras
»geheimnisvollen Ausdruck« nicht perfekt getroffen, und
auch der Lichteinfall erschien ihm nicht optimal. Doch alle Besucher
lobten das Bild überschwänglich. Lord Brannigan bat Lucas
sogar, auch ein Porträt seiner Lady zu malen. Gwyneira erfuhr,
dass dafür in England gutes Geld bezahlt wurde, doch Lucas hätte
es selbstverständlich als ehrenrührig empfunden, auch nur
einen Penny von seinen Nachbarn und Freunden zu fordern.
Gwyn sah nicht ein, wo der Unterschied zwischen dem Verkauf eines
Bildes und eines Schafes oder Pferdes lag, doch sie stritt sich nicht
und vermerkte erleichtert, dass auch Geralddie mangelnde
Geschäftstüchtigkeit seines Sohnes nicht tadelte. Im
Gegenteil, er schien zum ersten Mal beinahe stolz auf Lucas zu sein.
Im Haus herrschte eitel Sonnenschein und Harmonie.
Als die Geburt näher rückte, bemühte Gerald sich
vergeblich um einen Arzt für Gwyneira, denn dies hätte
bedeutet, dass Christchurch wochenlang ohne Mediziner gewesen wäre.
Gwyn fand es gar nicht so schlimm, auf einen Arzt verzichten zu
müssen. Nachdem sie Matahorua bei der Arbeit gesehen hatte, war
sie jederzeit bereit, sich einer Maori-Hebamme anzuvertrauen. Doch
Gerald erklärte dies für unannehmbar, und Lucas vertrat
diese Ansicht sogar noch entschiedener.
»Es geht nicht an, dass irgendeine Wilde dich betreut! Du
bist eine Lady und musst mit entsprechender Sorgfalt umhegt werden.
Das Ganze ist ohnehin ein großes Risiko. Du solltest in
Christchurch entbinden.«
Das wiederum brachte Gerald auf die Barrikaden. Der Erbe von
Kiward Station, erklärte er, würde auf der Farm zur Welt
kommen und nirgendwo sonst.
Gwyneira vertraute das Problem schließlich Mrs. Candler an,
obwohl sie befürchtete, dass diese ihr daraufhin Dorothy
anbieten würde. Die Händlersfrau tat das auch gleich,
wusste darüber hinaus aber noch eine bessere Lösung.
»Unsere Hebamme hier in Haldon hat eine Tochter, die ihr oft
zur Hand geht. Soweit ich weiß, hat sie auch schon allein
Entbindungen vorgenommen. Fragen Sie doch einfach mal, ob sie bereit
ist, ein paar Tage nach Kiward Station zu ziehen.«
Francine Hayward, die Tochter der Hebamme, erwies sich als
aufgeweckte, optimistische Zwanzigjährige. Sie hatte volles
blondes Haar und ein rundes, fröhliches Gesicht mit Stupsnase
und auffallend hellgrünen Augen. Mit Gwyneira verstand sie sich
auf Anhieb großartig. Die beiden waren schließlich fast
gleichaltrig, und schon nach den ersten zwei Tassen Tee verriet
Francine Gwyneira von ihrer heimlichen Liebe zum ältesten Sohn
der
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