Im Land der weissen Rose
anderes... so ’n
richtiger Mann, was?«
Gwyneira hatte keine Kraft mehr, ihn zu verfluchen. Der Schmerz
und die Demütigung schienen kein Ende zu nehmen. Sekunden
dehnten sich zu Stunden. Gerald stöhnte, keuchte und stieß
unverständliche Worte hervor, die sich mit den Trommeln und dem
Bellen zu einer betäubenden Kakofonie vereinten. Gwyneira wusste
nicht, ob sie ebenfalls schrie oder die Tortur schweigend erduldete.
Sie wollte nur noch, dass Gerald von ihr abließ, auch wenn das
bedeutete, dass er ...
Gwyneira verspürte heftigen Ekel, als er sich schließlich
in sie ergoss. Sie fühlte sich beschmutzt, besudelt, gedemütigt.
Verzweifelt drehte sie den Kopf weg, als er keuchend auf sie sank und
das erhitzte Gesicht an ihren Hals presste. Sein schwerer Körper
hielt sie am Boden. Gwyn hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu
bekommen. Sie versuchte, ihn von sich herunterzustoßen,
schaffte es aber nicht. Warum bewegte er sich nicht mehr? War er auf
ihr gestorben? Sie hätte es ihmgegönnt. Hätte sie ein
Messer gehabt, hätte sie es ihm in den Leib gestoßen.
Dann aber regte sich Gerald. Er rappelte sich auf, ohne sie
anzusehen. Was empfand er? Befriedigung? Scham?
Der alte Mann stand schwankend da und griff erneut nach der
Flasche.
»Das war euch hoffentlich eine Lehre ...«, sagte er
halbherzig. Nicht triumphierend, eher so, als würde es ihm jetzt
schon Leid tun. Er warf einen Seitenblick auf die wimmernde Gwyneira.
»Hast Pech gehabt, wenn’swehgetan hat.Aber zum Schluss
hat’s dir gefallen, Prinzessin, nicht wahr...?«
Gerald Warden stolperte die Treppe hinauf, ohne sich noch einmal
umzublicken. Gwyneira schluchzte lautlos.
Schließlich beugte Lucas sich über sie.
»Sieh mich nicht an! Fass mich nicht an!«
»Ich tue dir doch nichts, meine Liebe ...« Lucas
wollte ihr aufhelfen, doch sie wehrte ihn ab.
»Verschwinde«, sagte sie schluchzend. »Jetzt ist
es zu spät, jetzt kannst du nichts mehr tun.«
»Aber ...« Lucas stockte. »Was hätte ich
denn tun sollen?«
Gwyneira wäre auf Anhieb eine ganze Menge eingefallen. Es
hätte nicht einmal ein Messer gebraucht – das eiserne
Kaminbesteck direkt neben Lucas hätte genügt, um seinen
Vater niederzuschlagen.
Doch Lucas schien gar nicht auf den Gedanken gekommen zu sein. Ihn
beschäftigten offensichtlich andere Dinge. »Aber ... aber
es hat dir nicht gefallen, oder?«, fragte er leise. »Du
hast nicht wirklich ...«
Jeder Muskel in Gwyneiras Körper schmerzte, doch ihre Wut
half ihr, sich aufzurichten. »Und wenn es so wäre, du ...
du Schlappschwanz?«, fuhr sie Lucas an. Noch nie hatte sie sich
so beleidigt gefühlt, so verraten. Wie konnte dieser Dummkopf
glauben, sie hätte diese Demütigung genossen? Plötzlich
wollte sie nichts mehr, als Lucas zu verletzen. »Was wäre,
wenn ein anderer es wirklich besser könnte? Würdest du dann
hingehen und ihn fordern, den Vater von Fleur? Ja? Oder würdest
du wieder den Schwanz einziehen, so wie eben, im Kampf gegen einen
alten Mann? Verdammt, ich bin dich so leid! Und deinen Vater, der zu
hoch im Saft steht! Was ist eigentlich ein ›warmer
Bruder‹,Lucas? Ist das wieder etwas,das man Ladys lieber
vorenthält?« Gwyneira sah den Schmerz in seinen Augen und
vergaß ihre Wut. Was tat sie hier? Warum nahm sie Rache an
Lucas für das, was sein Vater getan hatte? Lucas trug keine
Schuld an dem, was er war.
»Ach, schon gut, ich will es gar nicht wissen«, sagte
sie. »Geh mir aus den Augen, Lucas. Verschwinde. Ich will dich
nicht mehr sehen. Ich will niemanden sehen. Hau ab, Lucas Warden!
Verschwinde!«
Gefangen in ihrem Kummer und Schmerz, hörte sie nicht, wie er
ging. Sie versuchte, sich auf die Trommeln zu konzentrieren, um nicht
auf die Gedanken hören zu müssen, die ihr das Hirn
zermarterten. Dann fiel ihr die Hündin wieder ein. Das Bellen
hatte aufgehört, Cleo winselte nur noch. Gwyneira schleppte sich
zur Terrassentür, ließ Cleo herein und zog den Korb mit
den Welpen ebenfalls über die Schwelle, als draußen die
ersten Tropfen fielen. Cleo leckte ihr die Tränen vom Gesicht,
und sie horchte auf den Regen, der auf die Fliesen prasselte ...
rangi weinte.
Gwyneira weinte.
Sie schaffte es erst in ihr Zimmer, als das Gewitter sich über
Kiward Station entlud, die Luft kühler und ihr Kopf klarer
wurde.
Weitere Kostenlose Bücher