Im Land der weissen Rose
mit den
Büchern, die er sich wünschte, und schenkte ihm
Vergrößerungsgläser und Botanisiertrommeln, um seine
wissenschaftlichen Interessen zu fördern. Howard dagegen hielt
das für Unsinn – Ruben sollte die Farm übernehmen,
und dazu reichten Grundkenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen.
Ruben allerdings interessierte sich überhaupt nicht für die
Farmarbeit, und auch nur begrenzt für Flora und Fauna. Seine
diesbezüglichen »Forschungen« waren eher von seiner
kleinen Freundin Fleur initiiert. Ruben teilte mehr die
geisteswissenschaftliche Begabung seiner Mutter. Er las schon jetzt
die Klassiker in den Originalsprachen, und sein ausgeprägtes
Gerechtigkeitsgefühl mochte ihn für eine Laufbahn als
Geistlicher oder auch für ein Jurastudium prädestinieren.Als
Farmer sah George ihn nicht – ein massiver Konflikt zwischen
Vater und Sohn schien vorprogrammiert. Greenwood befürchtete,
dass auch seine eigene Zusammenarbeit mit O’Keefe auf Dauer
scheitern würde – und mochte an die Folgen für Helen
und Ruben kaum denken. Aber damit konnte er sich später
beschäftigen. Sein aktueller Ausflug an die Westcoast war eine
Art Urlaub für ihn; er wollte die Südinsel endlich näher
kennen lernen und neue Märkte entdecken.Außerdem
motivierte ihn eine weitere Vater-Sohn-Tragödie: George war –
auch wenn er das niemandem verraten hatte – auf der Suche nach
Lucas Warden.
Inzwischen war es über ein Jahr her, dass der Erbe von Kiward
Station verschwunden war, und das Gerede in Haldon hatte sich
weitgehend gelegt. Die Gerüchte um Gwyneiras Kind waren
verstummt; man nahm allgemein an, dass ihr Gatte in London weilte. Da
die Leute im Ort Lucas Warden ohnehin kaum zu Gesicht bekommen
hatten, vermissten sie ihn nicht.Außerdem war der örtliche
Bankier nicht der diskreteste, und so kamen immer wieder Nachrichten
von Lucas’ immensen finanziellen Erfolgen im Mutterland in
Umlauf. Die Leute in Haldon nahmen selbstverständlich an, Lucas
verdiene dieses Geld unmittelbar mit dem Malen neuer Bilder.
Tatsächlich aber verkauften die Galerien in der Hauptstadt nur
die längst vorhandenen Bestände.Auf Georges Bitten hin
hatte Gwyneira inzwischen schon die dritte Auswahl an Aquarellen und
Ölgemälden nach London geschickt. Sie erzielten dort immer
bessere Preise, und George war am Gewinn beteiligt – neben
seiner Neugier ein weiterer guter Grund, den verlorenen Künstler
aufzuspüren.
Neugier spielte allerdings auch eine Rolle. Nach George Greenwoods
Meinung war Geralds Fahndung nach seinem Sohn viel zu oberflächlich
verlaufen. Er fragte sich, warum der alte Warden nicht wenigstens
Boten ausgesandt hatte, um nach Lucas zu suchen, wenn er sich schon
nicht selbst auf den Weg machte, was kein Problem gewesen wäre,
denn Gerald kannte die Westcoast wie seine Westentasche, und viele
andere »Verstecke« für Lucas kamen eigentlich nicht
in Frage. Wenn Lucas sich nicht irgendwo falsche Papiere besorgt
hatte – was George für unwahrscheinlich hielt –,
hatte er die Südinsel gar nicht verlassen, denn die
Passagierlisten der Schiffe waren zuverlässig, und Lucas’
Name erschien nicht darauf.Auf den Schaffarmen der Ostküste
hielt er sich ebenfalls nicht auf, das hätte sich
herumgesprochen. Und für ein Unterschlüpfen bei einem
Maori-Stamm war Lucas schlichtweg zu englisch geprägt. Er hätte
sich nie an den Lebensstil der Ureinwohner anpassen können und
beherrschte auch kaum ein Wort ihrer Sprache.Also die Westcoast –
und da gab es nur eine Hand voll Ansiedlungen. Warum hatte Gerald sie
nicht besser durchforstet?Was war vorgefallen, dass der alte Warden
offensichtlich ganz froh war, seinen Sohn los zu sein – und
warum reagierte er erst so verzögert und fast etwas gezwungen
auf die letztendliche Geburt seines Enkels? George wollte es wissen –
und Westport war nun schon die dritte Siedlung, in der er nach Lucas
zu fragen gedachte. Nur wen? Den Stallbesitzer? Das wäre
immerhin ein Anfang.
Miller, der Betreiber des Mietstalls, schüttelte jedoch den
Kopf.
»Ein junger Gentleman mit einem alten Wallach? Nicht dass
ich wüsste. Und Gentlemen haben wir hier eh nicht viele.«
Er lachte.»Es kann aber auch sein, dass ich nichts davon
mitbekommen habe. Ich hatte bis vor kurzem einen Stalljungen, aber
der... na ja, ist
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