Im Land der weissen Rose
’ne lange Geschichte. Jedenfalls war er sehr
zuverlässig und hat die Leute, die nur eine Nacht blieben, oft
allein abgefertigt.Am besten, Sie fragen im Pub. Der kleinen Daphne
da entgeht garantiert nichts... jedenfalls nichts, was mit Männern
zu tun hat!«
George lachte pflichtschuldig über den offensichtlichen
Scherz, auch wenn er ihn nicht ganz verstanden hatte, und bedankte
sich für den Hinweis. In den Pub wollte er sowieso. Es konnte
schließlich sein, dass man dort Zimmer vermietete. Außerdem
hatte er Hunger.
Der Schankraum überraschte ihn ebenso positiv wie der
Mietstall.Auch hier herrschten relative Ordnung und
Sauberkeit.Allerdings schien man die Wirtschaft und das Bordell kaum
zu trennen. Das rothaarige junge Mädchen, das George gleich nach
seinem Eintreffen nach seinen Wünschen fragte, war stark
geschminkt und trug die auffallende Kleidung eines Bar-Girls.
»Ein Bier, was zu essen und ein Zimmer, falls es hier welche
gibt«, orderte George. »Und ich suche ein Mädchen
namens Daphne.«
Die Rothaarige lächelte. »Bier und Sandwich wird gleich
erledigt, aber Zimmer vermieten wir nur stundenweise. Falls Sie mich
allerdings mit buchen wollen und nicht kleinlich sind, lasse ich Sie
anschließend drin pennen. Wer hat mich denn so warm empfohlen,
dass Sie gleich beim Reinschneien nach mir fragen?«
George erwiderte ihr Lachen. »Du bist also Daphne. Aber ich
muss dich enttäuschen. Du wurdest mir nicht aufgrund übergroßer
Diskretion empfohlen, sondern eher, weil du hier wahrscheinlich jeden
kennst.
Sagt dir der Name Lucas Warden etwas?«
Daphne runzelte die Stirn. »Auf Anhieb nicht.Aber irgendwie
kommt er mir bekannt vor... Ich hol mal Ihr Essen und denk dabei
darüber nach.«
George hatte inzwischen ein paar Münzen aus der Tasche
geholt, mit deren Hilfe er die Auskunftsbereitschaft Daphnes zu
steigern hoffte. Das aber schien nicht nötig zu sein; das
Mädchen spielte anscheinend nichts vor. Im Gegenteil, es
strahlte, als es aus der Küche kam.
»Ein Mr. Warden war auf dem Schiff, mit dem ich aus England
gekommen bin!«, erklärte sie eifrig. »Ich hab ja
gewusst, dass ich den Namen kannte.Aber der Mann hieß nicht
Lucas, sondern Harald oder so. Und er war schon älter. Wieso
wollen Sie denn das alles wissen?«
George war verblüfft. Mit solchen Auskünften hätte
er hier absolut nicht gerechnet. Aber gut, Daphne und ihre Familie
waren offensichtlich wie Helen und Gwyneira mit der Dublin nach
Christchurch gesegelt. Ein seltsames Zusammentreffen, aber ihm half
es nicht unmittelbar weiter.
»Lucas Warden ist Geralds Sohn«, erwiderte George.
»Ein großer, schlanker Mann, hellblond, graue Augen, sehr
gute Umgangsformen. Und es gibt Grund zu der Annahme, dass er
irgendwo hier an der Westcoast unterwegs ist.«
Daphnes offener Ausdruck wurde zu Misstrauen. »Und Sie sind
hinter ihm her? Sind Sie Polizist oder so?«
George schüttelte den Kopf.
»Ein Freund«, erklärte er. »Ein Freund mit
sehr guten Nachrichten. Ich bin überzeugt, Mr. Warden wäre
erfreut, mich zu sehen. Falls Sie also doch was wissen ...«
Daphne zuckte die Schultern. »Wäre sowieso egal«,
murmelte sie. »Aber wenn Sie es nun schon wissen wollen, es war
ein Mann namens Luke hier – den Nachnamen weiß ich nicht
–, aber auf den passt die Beschreibung. Wobei es jetzt, wie ich
schon sagte, ohnehin egal ist. Luke ist tot.Aber wenn Sie wollen,
können Sie mit David sprechen ... falls der mit Ihnen reden
will. Bis jetzt spricht er mit kaum jemandem. Er ist ziemlich
fertig.«
George erschrak – und wusste im gleichen Moment, dass die
Kleine Recht haben musste. So viele Männer wie Lucas Warden gab
es garantiert nicht an der Westcoast, und dieses Mädchen war
eine scharfe Beobachterin. George erhob sich. Das Sandwich, das
Daphne gebracht hatte, sah zwar gut aus, doch ihm war der Appetit
vergangen.
»Wo finde ich diesen David?«, fragte er. »Wenn
Lucas... wenn er wirklich tot ist, will ich das wissen. Gleich.«
Daphne nickte. »Tut mir Leid, Sir, wenn es wirklich Ihr
Lucas ist. War ein netter Kerl. Bisschen seltsam, aber in Ordnung.
Kommen Sie mit, ich bringe Sie zu David.«
Zu Georges Verwunderung führte sie ihn nicht aus dem Lokal,
sondern die Treppe hinauf. Hiermussten sich die Zimmer des
Stundenhotels befinden ...
»Ich dachte, Sie vermieten nicht
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