Im Land der weissen Rose
schon
überleben«, begütigte Gwyneira mit größerer
Überzeugung, als sie tatsächlich besaß. Sie kannte
Geralds aufbrausendes Temperament; außerdem war er wieder stark
angetrunken. Allerdings hoffte sie auf Rubens ausgleichendes Wesen.
Helens Sohn würde sich bestimmt nicht provozieren lassen. »Und
du, Paul, verschwindest augenblicklich auf dein Zimmer.
Ich will dich hier nicht wiedersehen, bis mindestens übermorgen.
Du hast Hausarrest...«
»Fleur auch, Fleur auch!« Paul konnte es nicht lassen.
»Das ist etwas ganz anderes, Paul«, sagte Gwyneira
streng, und wieder einmal fiel es ihr schwer, auch nur einen Funken
Sympathie für dieses Kind aufzubringen, das sie geboren hatte.
»Großvater bestraft Fleur, weil er meint, dass sie sich
in den falschen Jungen verliebt hat.Aber ich bestrafe dich, weil du
boshaft bist, weil du Leute bespitzelst und verrätst – und
daran auch noch Freude hast! So verhält sich kein Gentleman,
Paul Warden. So verhält sich nur ein Ungeheuer!« Gwyneira
wusste in dem Moment, in dem sie es aussprach, dass Paul ihr dieses
Wort nie vergeben würde.Aber es ging mit ihr durch. Sie spürte
nur noch Hass auf dieses Kind, das man ihr aufgezwungen hatte, das
letztlich Ursache für Lucas’ Tod gewesen war und das nun
alles tat, auch Fleurs Leben zu zerstören und die ohnehin
schwankende Harmonie von Helens Familie in den Grundfesten zu
erschüttern.
Paul blickte seine Mutter an, leichenblass ob der Abgründe,
die er in ihren Augen sah. Das warkein Wutausbruch wie bei Fleurette;
Gwyneira schien zu meinen, was sie sagte. Paul schluchzte auf, obwohl
er sich schon vor mindestens einem Jahr entschlossen hatte, ein Mann
zu sein und auf keinen Fall mehr zu weinen.
»Wird’s bald? Verschwinde!« Gwyneira hasste sich
selbst für ihre Worte, aber sie konnte sich nicht zurückhalten.
»Verschwinde auf dein Zimmer!«
Paul stürmte hinaus. Fleurette sah ihre Mutter fassungslos
an.
»Das war hart«, bemerkte sie ernüchtert.
Gwyneira griff mit zitternden Fingern nach ihrem Weinglas,
überlegte es sich dann jedoch anders, ging zum Wandschrank und
schenkte sich einen Brandy ein. »Du auch, Fleurette? Ich
glaube, wir brauchen jetzt beide eine Beruhigung. Und dann können
wir nur abwarten. Irgendwann wird Gerald ja zurückkommen, wenn
er nicht unterwegs vom Pferd fällt und sich den Hals bricht.«
Sie kippte ihren Brandy hinunter.
»Und was Paul angeht ... es tut mir Leid.«
Gerald Warden durchquerte den Busch wie vom Teufel geritten. Die
Wut über den jungen Ruben O’Keefe schien ihn zerreißen
zu wollen. Bisher hatte er Fleurette niemals als Frau gesehen. Sie
war immer ein Kind für ihn gewesen, Gwyneiras kleine Tochter,
niedlich, aber verhältnismäßig uninteressant. Doch
jetzt war die Kleine flügge, jetzt warf sie genauso stolz den
Kopf zurück wie damals die siebzehnjährige Gwyneira, gab
genauso selbstbewusst Widerworte. Und Ruben, dieser kleine
Dreckskerl, wagte es, sich ihr zu nähern! Einer Warden! Seinem
Besitz!
Gerald beruhigte sich erst wieder ein wenig, als er O’Keefes
Farm erreichte und die ärmlichen Scheunen, Ställe und vor
allem das Wohnhaus mit dem seinen verglich. Howard konnte nicht
ernsthaft annehmen, dass er seine Enkelin hierher verheiraten würde.
Hinter den Fenstern des Hauses brannte Licht. Howards Pferd und
das Maultier standen im Pferch vor dem Haus. Der Bastard war also zu
Hause. Und sein ungeratener Sohn wohl auch, denn Gerald sah die
Silhouetten von drei Menschen um den Tisch in der Hütte.
Nachlässig warf er die Zügel seines Pferdes über einen
Zaunpfosten und nahm die Flinte aus ihrem Futteral. Ein Hund schlug
an, als er zum Haus ging, aber drinnen reagierte niemand.
Gerald riss die Tür auf. Wie erwartet sah er Howard, Helen
und ihren Sohn am Esstisch, wo soeben Eintopf aufgetischt wurde. Die
drei sahen erschrocken zur Tür, unfähig, sofort zu
reagieren. Gerald nutzte den Vorteil der Ãœberraschung. Er
stürmte ins Haus und warf den Tisch um, als er sich auf Ruben
stürzte.
»Karten auf den Tisch, Bürschchen! Was hast du mit
meiner Enkelin?«
Ruben wand sich in seinem Griff. »Mr. Warden ... können
wir nicht ... wie vernünftige Menschen miteinander reden?«
Gerald sah rot. Genau so hätte sein ungeratener Sohn Lucas
auf eine solche Anschuldigung reagiert. Er schlug
Weitere Kostenlose Bücher