Im Land der weissen Rose
Hütehündin war auf jeden Fall ein Gewinn. Aber
wenn Fleur erst schwanger wäre, konnte sie das Tier natürlich
nicht mehr selbst führen. Sideblossom machte sich jetzt schon
daran, sich bei Gracie einzuschmeicheln – was ihm weitere
Sympathien Fleurettes einbrachte. Nach drei Tagen war der Farmer
überzeugt, dass Fleur seine Werbung nicht ablehnen würde.
Und Gerald Warden sollte glücklich sein, das Mädchen so gut
zu verheiraten.
Gerald hatte Johns Werbung um Fleur mit einem lachenden und einem
weinenden Auge beobachtet. Diesmal schien das Mädchen nicht
abgeneigt – Gerald fand sogar, seine Enkelin flirte ziemlich
schamlos mit seinem alten Freund. Doch in seine Erleichterung darüber
mischte sich Eifersucht. John würde haben, was er, Gerald, nicht
bekommen konnte. Sideblossom würde Fleur nicht mit Gewalt nehmen
müssen, sie würde sich freiwillig hingeben. Gerald
ertränkte seine verbotenen Gedanken im Whiskey.
Zumindest war er vorbereitet, als Sideblossom sich am vierten Tag
seines Aufenthalts auf Kiward Station zu ihm gesellte und ihm seine
Heiratsabsichten vortrug.
»Du weißt, alter Freund, bei mir ist sie gut
versorgt«, sagte Sideblossom. »Lionel Station ist groß.
Zugegeben, das Herrenhausist vielleicht nicht so großartig wie
dieses hier, aber es ist komfortabel. Personal haben wir reichlich.
Das Mädchen wird von vorn und hinten umsorgt. Um das Kind muss
sie sich natürlich selbst kümmern.Aber sie hat dann sicher
auch bald eigene – dann geht das in einem Aufwasch. Hast du
irgendwelche Einwände, dass ich ihr einen Antrag mache?«
Sideblossom versorgte sich selbst mit einem Whiskey.
Gerald schüttelte den Kopf und ließ sich ebenfalls
einschenken. Sideblossom hatte Recht; was er vorschlug, war die beste
Lösung. »Ich habe keine Einwände. Viel Geld hat die
Farm allerdings nicht flüssig als Mitgift. Wärst du mit
einer Schafherde zufrieden? Über zwei Zuchtstuten könnten
wir auch reden ...«
Die beiden Männer verbrachten die nächste Stunde in
genüsslichem Handel um Fleurettes Mitgift. Beide waren mit allen
Wassern gewaschen, was Viehhandel anging. Die Angebote flogen nur so
hin und her. Gwyneira, die wieder mal horchte, warnicht beunruhigt:
In ihren Ohren klang das nach Blutauffrischung für die
Schafherden von Lionel Station. Fleurettes Name fiel kein einziges
Mal.
»Ich mu... muss dich allerdings warnen!«, meinte
Gerald, als die Männer sich schließlich einig waren und
die Höhe der Mitgift mit Handschlag bestätigt und viel
weiterem Whiskey besiegelt hatten. »Die Kl... Kleine ist nicht
ei... einfach. Hat sich da in eine Sache mit einem Nachbarjungen
reingesteigert ... sind bloß Dummheiten, der Kerl ist in...
inzwischen auch abgehauen. Aber du kenn... kennst ja die Weiber ...«
»Ich hatte eigentlich nicht den Eindruck, als wäre
Fleurette abgeneigt«, wunderte sich Sideblossom. Wie immer
erschien er auch jetzt noch vollkommen nüchtern, obwohl die
erste Whiskeyflasche längst geleert war. »Warum machen wir
nicht gleich Nägel mit Köpfen und fragen sie? Los, lass sie
rufen! Ich bin jetzt in der Stimmung für einen Verlobungskuss!
Und morgen sollten die anderen Viehzüchter zurück sein.
Dann können wir’s gleich bekannt geben.«
Fleurette, die gerade von einem Ausritt zurückgekommen war
und nun Anstalten machte, sich zumAbendessen umzuziehen, wunderte
sich über Witis schüchternes Klopfen an ihrer Tür.
»Miss Fleur, Mr. Gerald wünschen Sie sprechen. Er...
wie hat er gesagt? Er bitten Sie, gleich kommen in sein Zimmer.«
Der Maori-Diener überlegte offensichtlich, ob er noch eine
Bemerkung anfügen sollte, und entschied sich dafür: »Am
besten Sie machen schnell. Die Männer viel Whiskey, wenig
Geduld.«
Nach der Geschichte mit Reginald Beasley war Fleur argwöhnisch,
was plötzliche Einladungen in Geralds Zimmer betraf. Instinktiv
beschloss sie, sich nicht allzu attraktiv herzurichten, sondern
schloss ihr Reitkleid wieder, statt das dunkelgrüne Seidenkleid
überzuziehen, das Kiri ihr herausgelegt hatte.Am liebsten hätte
sie auch ihre Mutter zugezogen, aber sie wusste nicht, wo Gwyneira
steckte. Der viele Besuch und dazu die Arbeit auf der Farm nahmen
Gwyns Zeit sehr inAnspruch.Zurzeit gab es zwar nicht allzu viel zu
tun – es war Januar; Schur und Lammen waren vorbei, und
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