Im Land der weissen Rose
Mannes leuchteten auf, und Fleur meinte fast etwas
wie Zärtlichkeit darin zu erkennen.
»Sie haben übrigens schöne Schafe«, sprach
sie hastig weiter. »Ich kenne mich da aus. Ich bin ... von
einer Schaffarm.«
Der Mann nickte wieder. »Sie sind Fleurette Warden von
Kiward Station«, sagte er dann. »Herrgott, im ersten
Moment dachte ich schon, ich sehe Gespenster! Gwyneira, Cleo, Igraine
... Sie sind Ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten! Und Sie
sitzen genauso elegant zu Pferde.Aber das war vorauszusehen. Ich weiß
noch, wie Sie als Kind gequengelt haben, bis ich Sie aufsitzen ließ.«
Er lächelte. »Aber Sie werden sich nicht an mich erinnern.
Wenn ich mich vorstellen darf ... James McKenzie.«
Fleurette starrte ihn jetzt ebenfalls an, bis sie verlegen den
Blick senkte. Was erwartete der Mann von ihr? Sollte sie so tun, als
habe sie nie von seinem Ruf als Viehdieb gehört? Ganz zu
schweigen von der immer noch unfassbaren Tatsache, dass dieser Mann
ihr Vater war?
»Ich ... hören Sie, Sie dürfen nicht denken, dass
ich ... dass ich hergekommen bin, weil ich Sie verhaften wollteoder
so...«, setzte sie schließlich an. »Ich ...«
McKenzie lachte dröhnend, nahm sich dann aber zusammen und
antwortete der erwachsenen Fleur genauso ernst wie damals dem
vierjährigen Mädchen. »Das hätte ich auch
niemals von Ihnen erwartet, Miss Fleur. Sie hatten schon immer ein
Faible für Freisassen. Waren Sie nicht eine Zeit lang mit einem
gewissen Ruben Hood verbandelt?« Sie sah den Schalk in seinen
Augen aufblitzen und erkannte ihn plötzlich wieder.Als Kind
hatte sie ihn Mr. James genannt, und er war immer ihr besonderer
Freund gewesen.
Fleurettes Befangenheit fiel von ihr ab.
»Immer noch!«, nahm sie das Spiel auf. »Ruben
Hood und ich sind einander versprochen ... das ist einer der Gründe,
weshalb ich hier bin.«
»Aha«, meinte McKenzie. »Der Sherwood-Wald wird
wohl zu klein für die wachsende Anzahl eurer Anhänger. Nun,
da kann ich helfen, Lady Fleur... Allerdings sollten wir jetzt erst
einmal die Schafe in Sicherheit bringen. Der Boden hier wird mir
etwas zu heiß. Möchten Sie mich begleiten, Miss Fleur,um
mir mehr von Ihnen und Ihrer Mutter zu erzählen?«
Fleurette nickte eifrig. »Gern. Aber ... Sie sollten sich
besser irgendwohin auf den Weg machen, wo Sie wirklich sicher sind.
Und die Schafe vielleicht einfach zurückgeben. Mr. Sideblossom
ist mit einem Suchtrupp unterwegs... einer halben Armee, sagt meine
Mutter. Mein Großvater ist auch dabei. Sie wollen Sie
festnehmen und mich ...«
Fleurette schaute sich wachsam um. Bislang hatte sie sich hier
sicher gefühlt, doch wenn Sideblossom mit seinen Vermutungen
Recht hatte, befand sie sich zurzeit auf dem Gelände von Lionel
Station, Sideblossoms Land. Und womöglich hatte derAnhaltspunkte
dafür, wo McKenzie sich aufhielt.
McKenzie lachte wieder. »Sie, Miss Fleur? Was haben Sie denn
angestellt, dass man Ihnen einen Suchtrupp hinterherschickt?«
Fleur seufzte. »Ach, das ist eine lange Geschichte ...«
McKenzie nickte. »Gut, dann verschieben wir das lieber, bis
wir in Sicherheit sind. Folgen Sie mir einfach, und Ihre Hündin
kann Friday zur Hand gehen. Umso schneller sind wir hier weg.«
Er pfiff Friday, die genau zu wissen schien, was er von ihr
erwartete. Sie trieb die Schafe seitlich über die Terrasse, nach
Westen, auf die Alpen zu.
McKenzie stieg auf sein Maultier. »Sie brauchen sich keine
Sorgen zu machen, Miss Fleur. Die Gegend, in die wir reiten, ist
völlig sicher.«
Fleurette schloss sich ihm an. »Sagen Sie einfach Fleur zu
mir«, bat sie. »Das alles ist sowieso ... sehr
seltsam,aber es klingt noch seltsamer, wenn mein... also, wenn jemand
wie Sie mich Miss nennt.«
McKenzie warf ihr einen prüfenden Blick zu.
Die beiden ritten eine Zeit lang schweigend nebeneinander, während
die Hunde die Schafe zunächst über wenig einladendes,
steiniges Gelände trieben. Hier wuchs nur noch wenig Gras, dazu
stieg der Weg an. Fleur fragte sich, ob McKenzie sie wirklich in die
Berge führte,konnte es sich aber kaum vorstellen.
»Wie sind Sie ... ich meine, wie kommen Sie dazu, dass ...«,
platzte sie schließlich heraus, während Niniane sich
geschickt über den steinigen Grund tastete. Der Weg wurde immer
schwieriger und führte jetzt durch ein schmales Bachbett, das
von
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