Im Land der weissen Rose
Stamm in England. Ihr Lager liegt bei einem Vulkan, und der
bricht aus. Es ist sooo traurig, Miss Gwyn... ich hoffe bloß,
dass die Mädchen am Leben bleiben. Wo Glaucos Jone doch so
liebt!Aber die Leute sollten wirklich klüger sein. Man schlägt
sein Lager nicht so nah an den Feuerbergen auf. Und dann noch ein
großes, mit Schlafhäusern und allem! Was meinen Sie, ob
Paul das Buch auch lesen möchte? Er liest so wenig in der
letzten Zeit, das ist nicht gut für einen Gentleman, sagt Miss
Helen. Ich werde ihn nachher suchen und ihm das Buch bringen!«
Marama hüpfte davon, und Gwyneira lächelte in sich hinein.
Sie grinste noch, als sie auf Helens Hof hielt.
»Deine Kinder zeigen gesunden Menschenverstand«,
neckte sie Helen, die gleich aus dem Haus kam, als sie Hufschläge
hörte. Sie wirkte erleichtert, als sie Gwyn erkannte und keinen
anderen Besucher. »Ich wusste nie, was ich an Bulwer-Lytton
nicht mochte, aber Marama bringt es auf den Punkt: alle sein Fehler
der Römer. Hätten die nicht am Vesuv gebaut, wäre
Pompeji nicht untergegangen, und Mr. Bulwer-Lytton hätte sich
die ganzen 500 Seiten sparen können. Du solltest den Kindern nur
nahe bringen, dass das Ganze nicht in England spielt ...«
Helens Lächeln wirkte gezwungen. »Marama ist ein kluges
Kind«, sagte sie. »Aber jetzt komm, Gwyn, wir dürfen
keine Zeit verschwenden. Wenn Howard ihn hier findet, bringt er ihn
um. Er ist doch immer noch wütend, dass Warden und Sideblossom
ihn bei der Zusammenstellung des Suchtrupps übergangen haben
...«
Gwyneira runzelte die Stirn. »Welcher Suchtrupp? Und wen
bringt er um?«
»Na, McKenzie. James McKenzie!Ach ja, stimmt, ich hatte Mara
den Namen nicht genannt – sicherheitshalber.Aber er ist hier,
Gwyn. Und er will dringend mit dir reden!«
Gwyneiraschienen die Beine wegzuknicken. »Aber... James ist
inLyttelton im Gefängnis. Er kann nicht...«
»Er ist ausgebrochen, Gwyn! Und jetzt mach, gib mir das
Pferd. McKenzie ist in der Scheune.«
Gwyneiraflog geradezu auf die Scheune zu. Ihre Gedanken
überschlugen sich. Was sollte sie ihm sagen? Was wollte er ihr
sagen? Aber James war da... er war da, sie würden sich...
James McKenzie zog Gwyneira in die Arme, kaum dass sie die Scheune
betrat. Sie hatte keine Zeit, sich zu wehren, und wollte es auch gar
nicht.Aufatmend schmiegte sie sich an James’ Schulter. Es war
dreizehn Jahre her, aber es fühlte sich immer noch so wundervoll
an wie damals. Hier war sie sicher.Egal, was um sie herum geschah –
wenn James die Arme um sie legte, war sie behütet vor der Welt.
»Gwyn, es ist lange her... Ich hätte dich nie verlassen
dürfen.« James flüsterte die Worte in ihr Haar. »Ich
hätte das mit Paul wissen müssen. Stattdessen ...«
»Ich hätte es dir sagen sollen«, meinte Gwyneira.
»Aber ich hätte es nie über die Lippen gebracht...
wir sollten jetzt aufhören mit den Entschuldigungen, wir wussten
doch immer, was wir wollten ...« Sie lächelte ihm
spitzbübisch zu. McKenzie konnte sich an dem glücklichen
Ausdruck in ihrem vom Ritt erhitzten Gesicht gar nicht satt
sehen.Aber er nutzte natürlich seine Chance und küsste
ihren so bereitwillig dargebotenen Mund.
»Also gut, kommen wir zur Sache!«, sagte er dann
streng, während der alte Schalk in seinen Augen tanzte. »Stellen
wir vor allem eines klar – und ich möchte die Wahrheit
hören und nichts als die Wahrheit. Jetzt, da es keinen Ehemann
mehr gibt, dem du Loyalität schuldest, und kein Kind mehr
belogen werden muss: War es damals wirklich nur ein Geschäft,
Gwyn? Ging es wirklich nur um das Kind? Oder hast du mich nicht doch
geliebt? Zumindest ein bisschen?«
Gwyneira lächelte, legte dann aber ihre Stirn in Falten, als
würde sie angestrengt nachdenken. »Ein bisschen? Doch, ja,
wenn ich es mir recht überlege, habe ich dich ein bisschen
geliebt.«
»Gut.« James blieb ebenfalls ernst. »Und nun? Da
du länger darüber nachgedacht und eine so wunderschöne
Tochter großgezogen hast? Da du frei bist, Gwyneira, und
niemand dir mehr befehlen kann? Liebst du mich immer noch ein
bisschen?«
Gwyneira schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht«,
erklärte sie langsam. »Jetzt liebe ich dich sehr!«
James nahm sie noch einmal in die Arme, und sie genoss seinen
Kuss.
»Liebst du mich genug, um
Weitere Kostenlose Bücher