Im Land der weissen Rose
werden. Daphne hätte beinahe gelacht. Lady Daphne Candler
– das hörte sich an wie eine von Elizabeth’
Geschichten. Zu schön, um wahr zu sein.
Daphne löste sich abrupt aus ihrem Traum und wandte sich
ihrer Freundin zu.
»Steh auf, Dorothy! Heul hier nicht rum!«, fuhr sie
das Mädchen an. »Ist ja nicht auszuhalten, wie du dich
aufführst.Aber von mir aus können wir tauschen. Geh du mit
den Candlers. Ich geh mit ihm ...« Daphne wies auf Mr.
Morrison.
Helen und Gwyn hielten den Atem an, während Mrs. Candler nach
Luft schnappte. Dorothy hob langsam den Kopf und ließ ihr
verweintes, rotes und geschwollenes Gesicht sehen. Mr. Morrison
runzelte die Stirn.
»Ist das hier ein Spiel? Bäumchen wechsel dich? Wer
sagt denn, dass ich unser Mädchen einfach eintausche?«,
fragte er zornig. »Mir ist die hier versprochen!« Er
griff nach Dorothy, die entsetzt aufschrie.
Daphne sah ihn an, wobei die Andeutung eines Lächelns auf
ihrem hübschen Gesicht erschien. Wie versehentlich fuhr sie mit
der Hand über ihre strenge Frisur und löste dabei eine
Strähne ihres leuchtend roten Haares.
»Es wird Ihr Schaden nicht sein«, hauchte sie, während
die Locke über ihre Schulter fiel.
Dorothy flüchtete in Helens Umarmung.
Morrison grinste, und diesmal war es keine Maske. »Na, wenn
das so ist...«, sagte er und tat, als wolle er Daphne helfen,
ihr Haar wieder aufzustecken. »Ein rotes Kätzchen. Meine
Frau wird entzückt sein. Und du bist ihr sicher eine brave
Magd.« Seine Stimme klang wie Seide, doch Helen hatte das
Gefühl, als würde sie allein schon vom Klang dieser Stimme
beschmutzt. Den anderen Frauen schien es ähnlich zu ergehen. Nur
Mrs. Baldwin war nicht empfänglich für Gefühle, gleich
welcher Art. Sie runzelte missbilligend die Stirn und schien
ernstlich zu überlegen, ob sie den Mädchen den Tausch
durchgehen lassen wollte. Dann aber reichte sie Carter bereitwillig
Daphnes vorbereitete Papiere.
Das Mädchen blickte nur noch einmal kurz auf, bevor es dem
Mann nach draußen folgte.
»Nun, Miss Helen?«, fragte Daphne. »Habe ich
mich ... ladylike verhalten?«
Helen schloss sie wortlos in die Arme.
»Ich liebe dich und bete für dich!«, flüsterte
sie, als sie das Mädchen gehen ließ.
Daphne lachte. »Für die Liebe danke ich. Die Gebete
aber können Sie lassen«, sagte sie bitter. »Warten
Sie erst, welches Blatt Ihr Gott für Sie aus dem Ärmel
zieht!«
Helen weinte sich in dieser Nacht in den Schlaf, nachdem sie das
Dinner bei den Baldwins unter fadenscheinigen Ausreden geschwänzt
hatte. Sie hätte das Pfarrhaus am liebsten sofort verlassen und
sich im Stall in die Decke geschmiegt, die Daphne in der Aufregung
vergessen hatte. Wenn sie Mrs. Baldwin nur ansah, hätte sie
schreien können, und die Gebete des Reverends waren für sie
wie eine Verhöhnung des Gottes, dem ihr Vater gedient hatte. Sie
musste hier raus! Wenn sie sich nur das Hotel hätte leisten
können. Und wenn es auch nur halbwegs schicklich gewesen wäre,
ihren Zukünftigen dort ohne Vermittler und Anstandsdame zu
empfangen!Aber lange konnte das hier nicht mehr dauern. Dorothy und
die Candlers waren auf dem Weg nach Haldon. Morgen würde Howard
von ihrer Ankunft erfahren.
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SO ETWAS WIE LIEBE
Canterbury Plains
1852–1854
1
Gerald Warden und sein Tross kamen nur schleppend voran, obwohl
Cleo und die jungen Hütehunde die Schafe in flotter Bewegung
hielten.Allerdings hatte Gerald drei Lastfahrzeuge mieten müssen,
um seine gesamten Einkäufe an Möbeln und sonstigem Hausrat
nach Kiward Station zu transportieren, darunter natürlich auch
Gwyneiras umfangreiche Mitgift an Kleinmöbeln, Silber und feiner
Tisch- und Bettwäsche. Was das anging, hatte Lady Silkham nicht
gespart und sich teilweise sogar aus den Beständen ihrer eigenen
Aussteuer bedient. Gwyneira war erst beim Ausladen aufgefallen, wie
viele im Grunde nutzlose Kostbarkeiten ihre Mutter in Truhen und
Körbe verpackt hatte – Dinge, die man selbst auf Silkham
Manor in dreißig Jahren nicht benötigt hatte. Was Gwyn nun
am Ende der Welt damit anfangen sollte, war ihr schleierhaft, doch
Gerald schien den Tand in Ehren zu halten und wollte unbedingt alles
gleich mit nach Kiward Station schaffen. So schleppten sich nun drei
Gespanne schwerer Pferde und Maultiere über die nach
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