Im Land Der Weissen Wolke
Morgens beim Frühstück. »Ich bin diese Maori-Speisen leid und hätte gern mal wieder ein ordentliches Irish Stew. Könntest du das bitte der Köchin sagen?«
Gwyn nickte, in Gedanken schon beim Zusammentreiben der Schafherde, das sie heute Morgen mit McKenzie und den jungen Hunden plante. Einige Jungtiere hatten die Weiden auf dem Hochland verlassen und stromerten auf den hofnäheren Weidegründen herum, wobei vor allem die jungen Widder Unruhe in die Herden brachten. Gerald hatte den Viehhütern deshalb befohlen, die Tiere zu sammeln und zurückzutreiben, was bislang ein mühsames Geschäft war. Mit den neuen Hütehunden sollte es allerdings in einem Tag zu erledigen sein, und Gwyneira wollte sich die ersten dahingehenden Versuche anschauen. Das sollte sie allerdings nicht hindern, vorher kurz mit Moana über das Mittagessen zu sprechen.
»Zu Irish Stew nimmt man Kohl und Hammelfleisch, nicht wahr?«, fragte sie in die Runde.
»Was denn sonst?«, brummte Gerald.
Gwyn hatte die vage Vorstellung, dass man beides übereinander schichtete und kochte.
»Hammelfleisch ist noch da, und Kohl ... ist Kohl im Garten, Lucas?«, fragte sie unsicher.
»Was meist du, was die großen grünen Blätter sind, die sich da zu Köpfen formieren?«, fuhr Gerald sie an.
»Ich, äh ...« Gwyn hatte längst festgestellt, dass Gartenarbeit ihr auch dann nicht sonderlich lag, wenn man die Ergebnisse essen konnte. Sie hatte einfach nicht die Geduld zu warten, bis aus Sämereien Kohlköpfe oder Gurken wurden, und zwischendurch endlose Stunden mit dem Ausrupfen von Unkraut zu verbringen. Deshalb beehrte sie den Gemüsegarten nur selten mit ihrer Aufmerksamkeit – Hoturapa machte das schon.
Moana schaute ziemlich verwirrt, als Gwyn ihr den Auftrag gab, Kohl und Hammelfleisch zusammen zu kochen.
»Ich gemacht noch nie«, erklärte sie. Kohl war ohnehin völlig neu für das Mädchen. »Wie soll schmecken?«
»Wie ... na ja, wie Irish Stew eben. Koch es einfach, dann siehst du schon«, sagte Gwyn. Sie war heilfroh, in die Ställe flüchten zu können, wo James ihr bereits Madoc gesattelt hatte. Gwyneira ritt die Cobs jetzt abwechselnd.
Die jungen Hunde machten sich hervorragend, und selbst Gerald war des Lobes voll, als die Hälfte der Viehtreiber bereits am Mittag mit Gwyneira heimkehrte. Die Schafe waren erfolgreich gesammelt, und Livingston und Kennon trieben sie mit Hilfe von drei Hunden zurück in die Berge. Cleo sprang vergnügt neben ihrer Herrin her, und Daimon neben McKenzie. Ab und zu lachten die Reiter sich an. Sie genossen die Zusammenarbeit, und manchmal meinte Gwyn, sich mit dem braunhaarigen Farmarbeiter so selbstverständlich und wortlos verständigen zu können wie sonst nur mit Cleo. James wusste immer genau, welches Schaf sie gerade im Auge hatte, um es auszusortieren oder erneut einzutreiben. Er schien ihr Tun vorauszuahnen und pfiff Daimon oft im gleichen Moment, als Gwyneira Hilfe anfordern wollte.
Jetzt nahm er ihr vor den Ställen den Hengst ab.
»Gehen Sie schon, Miss Gwyn, sonst schaffen Sie es nicht mit dem Umziehen vor dem Lunch. Wo Mr. Gerald sich doch schon so sehr darauf freut ... er hat ein Gericht aus der alten Heimat geordert, nicht wahr?«
Gwyneira nickte, wobei ihr etwas mulmig wurde. War Gerald tatsächlich so versessen auf dieses Irish Stew, dass er den Farmarbeitern davon erzählte? Hoffentlich schmeckte es ihm!
Gwyneira hätte sich gern im Vorfeld davon überzeugt, aber sie war tatsächlich spät dran und schaffte es gerade noch, ihr Reitkleid gegen ein Hauskleid zu wechseln, bevor die Familie sich zum Essen versammelte. Im Grunde hielt Gwyn diese Umzieherei für völlig überflüssig. Gerald kam stets in der gleichen Kleidung zum Lunch, in der er auch die Arbeiten in den Ställen und auf den Weiden beaufsichtigte. Lucas hingegen wünschte sich eine stilvolle Atmosphäre während der Mahlzeiten, und Gwyneira wollte nicht streiten. Jetzt trug sie ein hübsches, hellblaues Kleid mit gelben Bordüren an Rock und Ärmeln. Sie hatte ihr Haar halbwegs gerichtet und mit Kämmchen zu einer Art Frisur aufgesteckt.
»Du siehst heute wieder entzückend aus, meine Liebe«, bemerkte Lucas. Gwyn lächelte ihm zu.
Gerald betrachtete es wohlgefällig. »Die reinsten Turteltäubchen!«, bemerkte er erfreut. »Dann können wir uns ja wohl auch bald auf Nachwuchs freuen, nicht wahr, Gwyneira?«
Gwyn wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Doch an ihren und Lucas’ Bemühungen sollte es nicht
Weitere Kostenlose Bücher