Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
so meint.«
    »Na, na, Miss Gwyn. So zynisch heute? Es ist doch ein wunderschönes Fest!« James sah sie prüfend an. Auch diese Blicke kannte Gwyn inzwischen – und selbst sie gingen ihr durch Mark und Bein.
    »Gewürzt durch ein gutes Stück Schadenfreude!«, seufzte sie. »In den nächsten Tagen werden sich alle mal wieder die Mäuler zerreißen, und Mr. Gerald macht es noch schlimmer – bei den Reden, die er führt.«
    »Wieso Schadenfreude?«, fragte James. »Kiward Station steht doch bestens da. Von dem Profit, den Mr. Gerald diesmal mit der Wolle macht, kann er jeden Monat so ein Fest geben! Warum ist er denn immer noch unzufrieden?«
    »Ach, reden wir nicht darüber ...«, murmelte Gwyn. »Fangen wir das Jahr lieber mit etwas Erfreulichem an. Sagten Sie was von Tanzen? Sofern es kein Walzer ist ...«
    McAran fiedelte eine schwungvolle irische Jig. Zwei Maori-Diener schlugen die Trommeln dazu, was nicht ganz passte, aber offensichtlich allen Spaß machte. Poker und Dave schwenkten die Maori-Mädchen herum. Moana und Kiri ließen sich kichernd durch die für sie fremden Tänze führen. Die anderen Tanzpaare kannte Gwyneira nicht oder kaum. Es handelte sich um die Dienerschaft der vornehmeren Gäste. Lady Barringtons englische Zofe schaute missbilligend herüber, als die Leute von Kiward Station Gwyneira johlend begrüßten. James hielt ihr die Hand hin, um sie auf den Tanzplatz zu führen. Gwyn ergriff sie und fühlte wieder diesen sanften Schock, der Wellen der Erregung in ihr auslöste – wie immer, wenn sie James berührte. Er lachte ihr zu, stützte sie, als sie leicht stolperte. Dann verneigte er sich vor ihr – aber das war auch schon alles, was dieser Tanz mit den Walzern gemeinsam hatte, die sie eben bis zum Überdruss getanzt hatte.
    »She is handsome, she is pretty, she is the Queen of Belfast City!« Poker und ein paar andere Männer sangen die Melodie vergnügt mit, während James Gwyneira herumwirbelte, bis ihr schwindelig wurde. Und jedes Mal, wenn sie aus einer schwungvollen Drehung in seine Arme flog, sah sie den Glanz in seinen Augen, die Bewunderung und ... ja, was? Begierde?
    Mitten im Tanz jagte die Rakete zum Himmel, die das neue Jahr einleitete – und dann entlud sich das ganze prächtige Feuerwerk. Die Männer um McAran brachen die Jig ab, und Poker stimmte As old long syne an. Alle anderen Einwanderer fielen ein, und die Maoris summten eher begeistert als richtig mit. Nur James und Gwyneira hatten weder Ohren für das Lied noch Augen für das Feuerwerk. Die Musik war verstummt, als sie sich eben an den Händen hielten, und jetzt erstarrten sie in der Bewegung. Keiner mochte den anderen loslassen. Sie schienen auf einer Insel zu stehen, fern von Lärm und Lachen. Es gab nur ihn. Es gab nur sie.
    Gwyn riss sich schließlich los. Sie wollte das Wunder nicht verlieren, aber sie wusste, dass es sich hier nicht vollenden dürfte.
    »Wir sollten ... nach den Pferden sehen«, sagte sie tonlos.
    James hielt ihre Hand auf dem Weg zu den Ställen.
    Kurz vor dem Eingang hielt er sie an. »Schauen Sie!«, flüsterte er. »Ich hab so was noch nie gesehen. Wie ein Regen aus Sternen!«
    Lucas’ Feuerwerk sorgte für spektakuläre Effekte. Doch Gwyn sah nur die Sterne in James’ Augen. Was sie hier tat, war dumm, verboten und ganz und gar nicht schicklich. Aber sie lehnte sich trotzdem an seine Schulter.
    James strich ihr zärtlich das Haar aus dem Gesicht, das sich bei ihrem wilden Tanz gelöst hatte. Sein Finger wanderte leicht wie eine Feder über ihre Wange, an ihren Lippen entlang ...
    Gwyneira traf einen Entschluss. Es war Neujahr. Da durfte man einander küssen. Sie hob sich vorsichtig auf die Zehenspitzen und küsste James auf die Wange.
    »Ein frohes neues Jahr, Mr. James«, sagte sie leise.
    McKenzie zog sie in seine Arme, ganz langsam, ganz sanft – Gwyn hätte sich jederzeit befreien können, tat es aber nicht. Auch nicht, als seine Lippen die ihren fanden. Gwyneira öffnete sich dem Kuss leidenschaftlich und ganz selbstverständlich. Es war ein Gefühl, als käme sie nach Hause – ein Zuhause, in dem doch noch eine Welt voller Wunder und Überraschungen auf sie wartete.
    Sie war wie verzaubert, als er sie schließlich losließ. »Ein frohes neues Jahr, Gwyneira«, sagte James.

    Die Reaktionen der Gäste auf dem Fest, nicht zuletzt Geralds Ausfälle, bestärkten Gwyneira in ihrem Entschluss, eine Schwangerschaft auch ohne Lucas’ Mithilfe herbeizuführen. Natürlich hatte das

Weitere Kostenlose Bücher