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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Alleinsein und jedes Gespräch mit ihm fürchtete. Aber Gerald selbst mochte oft mit dem Gedanken gespielt haben, und vielleicht war auch das ein Grund für sein Trinken und seinen Ärger: Womöglich diente alles dazu, die verbotene Lust und den ungeheuerlichen Gedanken, den eigenen »Enkel« kurzerhand selbst zu zeugen, gar nicht erst aufkommen zu lassen.
    Gwyn war tief in Gedanken versunken, als sie den Wagen nach Hause lenkte. Zum Glück brauchte sie Fleur nicht zu beschäftigen; sie ritt stolz und glücklich allein neben der Chaise her. George Greenwood hatte dem kleinen Paul zur Taufe ein Pony geschenkt – er musste das von langer Hand geplant und die kleine Stute bereits in England bestellt haben, kaum dass er von Gwyns Schwangerschaft gehört hatte. Fleurette hatte das Pferdchen natürlich sofort vereinnahmt und kam vom ersten Moment an großartig damit zurecht. Bestimmt würde sie es nicht aufgeben, wenn Paul heranwuchs. Gwyn würde sich da etwas einfallen lassen müssen, aber das hatte Zeit. Vorerst musste sie sich mit dem Problem befassen, dass Paul in Haldon als Bastard galt. Es ging nicht an, dass über den Erben der Wardens getuschelt wurde. Gwyneira musste ihre Ehre und die ihres Namens verteidigen!
    Als sie endlich auf Kiward Station eintraf, begab sie sich sofort in ihre Räume und suchte nach dem Kind. Wie erwartet fand sie die Wiege leer. Erst nach einigem Suchen entdeckte sie Kiri mit beiden Säuglingen an jeweils einer Brust in der Küche.
    Gwyn zwang sich zu einem Lächeln.
    »Da ist ja mein Junge«, bemerkte sie freundlich. »Wenn er fertig ist, Kiri, kann ich ihn dann ... kann ich ihn dann mal halten?«
    Falls Kiri dieser Wunsch merkwürdig erschien, ließ sie es sich nicht anmerken. Stattdessen lächelte sie Gwyn strahlend zu. »Klar! Wird freuen zu sehen Mama!«
    Doch Paul freute sich keineswegs. Stattdessen brüllte er los, kaum dass Gwyn ihn aus Kiris Armen nahm.
    »Er nicht meint so«, murmelte Kiri verlegen. »Ist nur nicht gewöhnt.«
    Gwyn schaukelte das Kind in den Armen und bemühte sich, die sofort aufkommende Ungeduld niederzukämpfen. Helen hatte Recht, das Kind konnte nichts dafür. Und objektiv betrachtet war Paul wirklich ein niedlicher kleiner Kerl. Er hatte große, klare Augen, noch blau und rund wie Murmeln. Sein Haar schien dunkel zu werden, lockig und ungebärdig, und der edle Schnitt seines Mundes erinnerte Gwyn an Lucas. Es sollte nicht allzu schwer sein, dieses Kind lieben zu lernen ... aber erst einmal musste sie die Gerüchteküche ausräumen.
    »Ich werde ihn jetzt öfter herumtragen, damit er sich besser an mich gewöhnt«, erklärte sie der verblüfften, aber erfreuten Kiri. »Und ich nehme ihn morgen mit nach Haldon. Du kannst auch mitfahren, wenn du möchtest. Als seine Kinderfrau ...«
    Dann schreit er wenigstens nicht die ganze Zeit, dachte Gwyn, als der Junge sich auch nach einer halben Stunde in den Armen seiner leiblichen Mutter nicht beruhigte. Erst als sie ihn wieder neben Marama in das improvisierte Körbchen legte – Kiri hätte die Kinder gern ständig mit sich herumgetragen, aber das erlaubte Gerald ihr nicht während der Arbeit –, beruhigte sich der Kleine. Moana sang den Kindern ein Lied vor, während sie kochte. Bei den Maoris galt jede weibliche Verwandte der passenden Generation als Mutter.

    Mrs. Candler und Dorothy waren entzückt, den Erben der Wardens endlich vorgeführt zu bekommen. Mrs. Candler schenkte Fleur einen Lutscher und konnte sich gar nicht satt sehen an dem kleinen Paul. Gwyneira war sich klar darüber, dass hier der Test auf körperliche Unversehrtheit vorgenommen wurde, und erlaubte der alten Freundin gern, Paul aus seinen Decken und Tüchern zu wickeln und im Arm zu wiegen. Der Kleine war auch recht guter Laune. Das Geschüttel im Wagen hatte ihm und Marama gefallen. Beide Kinder hatten während der Fahrt süß geschlummert, und kurz vor der Ankunft hatte Kiri sie noch gestillt. Jetzt waren beide wach, und Paul sah Mrs. Candler mit großen, aufmerksamen Augen an. Er strampelte lebhaft. Die Zweifel der Haldon’schen Hausfrauen, das Kind könnte möglicherweise behindert sein, waren damit sicher ausgeräumt. Blieb noch die Sorge um die Herkunft.
    »Die dunklen Haare! Und die langen Wimpern! Ganz der Großvater!«, gurrte Mrs. Candler.
    Gwyneira wies sie auf den Schnitt der Lippen hin sowie auf Pauls ausgeprägte Kinnpartie, die sowohl Gerald als auch Lucas zu Eigen war.
    »Weiß der Vater denn inzwischen von seinem Glück?«,

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