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Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Herrenhaus kaum zu betreten. Er war sicher, dort einen Fehler nach dem anderen zu machen. Luke hatte ihn mitunter auf korrekte Tischsitten und Regeln der Höflichkeit aufmerksam gemacht, und auch Daphne schien sich in der Hinsicht auszukennen. Aber er selbst hatte keine Ahnung und fürchtete, sich schrecklich vor Gwyneira zu blamieren. Die jedoch führte ihn ganz selbstverständlich durch eine Seitentür hinein, nahm ihm die Jacke ab und klingelte dann auch nicht nach dem Mädchen, sondern traf gleich im Salon auf die Kinderfrau Kiri. Neuerdings sperrte Gerald sich nicht mehr dagegen, dass die junge Frau die Kinder beim Putzen und sonstigen Hausarbeiten mit sich herumschleppte. Wenn er Kiri in die Küche verbannte, so war ihm schließlich klar geworden, würde auch Paul dort aufwachsen.
    Gwyneira begrüßte Kiri freundlich und nahm eins der Babys aus dem Tragekorb.
    »Mr. Sigleifson, mein Sohn Paul«, stellte sie vor, doch die letzten Worte gingen im ohrenbetäubenden Geschrei des Babys unter. Paul schätzte es gar nicht, von der Seite seiner Ziehschwester Marama gerissen zu werden.
    Steinbjörn stellte inzwischen Überlegungen an. Paul war noch ein Baby. Er musste während Lukes Abwesenheit geboren worden sein.
    »Ich geb’s auf«, seufzte Gwyneira und legte das Kind in sein Körbchen zurück. »Kiri, würdest du die Kinder bitte mitnehmen – Fleur auch, sie muss noch was essen, und was wir zu bereden haben, ist nicht für ihre Ohren bestimmt. Und vielleicht machst du uns einen Tee – oder Kaffee, Mr. Sigleifson?«
    »Sagen Sie bitte Steinbjörn ...«, meinte der Junge schüchtern. »Oder David. Luke hat mich David genannt.«
    Gwyneiras Blick streifte seine Züge und sein wirres Haar. Dann lächelte sie. »Er war immer ein bisschen neidisch auf Michelangelo«, bemerkte sie dann. »Kommen Sie, setzen Sie sich. Sie hatten einen langen Ritt ...«
    Zu seiner Verwunderung fand Steinbjörn die Unterhaltung mit Gwyneira Warden gar nicht so schwierig. Er hatte zunächst befürchtet, sie hätte noch nichts von Lucas’ Tod gewusst, doch George Greenwood hatte wohl schon vorgearbeitet. Gwyneira hatte die erste Trauer längst überwunden und fragte nur teilnahmsvoll nach Steinbjörns Zeit mit ihrem Mann, wie er ihn kennen gelernt hatte und wie seine letzten Monate verlaufen waren.
    Schließlich schilderte Steinbjörn die Umstände seines Todes, nicht ohne sich erneut die Schuld zu geben.
    Doch Gwyneira sah die Angelegenheit ähnlich wie Greenwood und drückte sich eher noch drastischer aus. »Sie können doch nichts dafür, dass Lucas unfähig war, einen Knoten zu binden. Er war ein guter Mensch, ich habe ihn weiß Gott geschätzt. Und wie es aussieht, war er wohl auch ein sehr begabter Künstler. Aber hoffnungslos lebensuntüchtig. Dabei ... ich glaube, er hat sich immer gewünscht, auch einmal ein Held zu sein. Und das hat er am Ende erreicht, nicht wahr?«
    Steinbjörn nickte. »Alle sprechen mit großer Hochachtung von ihm, Mrs. Warden. Die Leute überlegen, ob sie nicht den Felsen nach ihm benennen. Den Felsen, den ... den wir heruntergestürzt sind.«
    Gwyneira war gerührt. »Ich glaube, mehr hat er sich nie gewünscht«, sagte sie leise.
    Steinbjörn befürchtete schon, sie würde in Tränen ausbrechen, wo er doch keine Ahnung hatte, wie man eine Lady formvollendet tröstete. Dann aber fing sie sich doch wieder und fragte den jungen Mann weiter aus. Zu seiner Verwunderung erkundigte sie sich ausgiebig nach Daphne, an die sie sich noch gut erinnerte. Nach Greenwoods Bericht über sein Treffen mit dem Mädchen hatte Helen sofort nach Westport geschrieben, aber bislang noch keine Antwort erhalten. Steinbjörn bestätigte jetzt ihre Annahme, die rothaarige Daphne in Westport sei mit ihrem früheren Zögling identisch, und er berichtete auch von den Zwillingen. Gwyneira war ganz aus dem Häuschen, als sie von Laurie und Mary hörte.
    »Also hat Daphne die Mädchen gefunden! Wie hat sie das bloß geschafft? Und sie sind alle wohlauf? Daphne sorgt für sie?«
    »Nun ja, sie ...« Steinbjörn wurde ein bisschen rot. »Sie ... tun auch selbst was. Sie tanzen. Hier ... hier, Luke hat sie gemalt.« Der Junge hatte seine Satteltaschen mit hereingebracht und suchte jetzt nach einer Mappe, in der er anschließend herumblätterte. Erst als er die Zeichnungen schon herauszog, schien ihm klar zu werden, dass sie wohl kaum für die Augen einer Lady bestimmt waren. Gwyneira jedoch zuckte mit keiner Wimper, als sie einen Blick darauf

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