Im Land Der Weissen Wolke
aber kriegen Ärger. Das sind dann die Zwischenfälle, die man in England als ›Maori-Kriege‹ verbucht.«
Fleurette nickte. Miss Helen hatte von Aufständen erzählt, aber das hatte sich hauptsächlich auf der Nordinsel zugetragen.
»Ich fand damals jedenfalls kein Land. Das Geld hätte höchstens für eine winzige Farm gereicht, und Vieh hätte ich mir gar nicht mehr kaufen können. Also ritt ich nach Otago, Gold suchen. Viel lieber hätte ich allerdings selbst neue Vorhaben ausgemacht. Ich kenne mich da ein bisschen aus, Fleur, ich war beim Goldrausch in Australien dabei. Also dachte ich, es kann nicht schaden, einen Umweg zu reiten und mich umzusehen ... na ja, und dann fand ich das hier.«
McKenzie umfasste die Landschaft mit einer weiten, schwungvollen Bewegung des Armes, und Fleurette bekam große Augen. Das Flussbett hatte sich schon während der letzten Minuten des Rittes erweitert; jetzt tat sich der Blick auf eine Hochebene auf. Sattes Gras, weite Weideflächen, die sich über sanfte Hänge hinzogen. Die Schafe verteilten sich sofort.
»Gestatten – McKenzie Station!«, sagte James lächelnd. »Bislang nur besiedelt von mir und einem Maori-Stamm, der einmal im Jahr vorbeikommt und genauso gut auf Mr. Sideblossom zu sprechen ist wie ich. Der zäunt neuerdings nämlich große Weideflächen ein, und dabei hat er die Maoris wohl von einem ihrer Heiligtümer abgeschnitten. Jedenfalls sind sie mit mir gut Freund. Wir lagern zusammen, tauschen Geschenke aus ... sie verraten mich nicht.«
»Und wohin verkaufen Sie die Schafe?«, fragte Fleur neugierig.
James lachte. »Du willst wirklich alles wissen! Aber gut, ich habe da einen Händler in Dunedin. Der schaut nicht so genau hin, wenn gute Tiere kommen. Und ich verkaufe ja auch selbst gezogene. Wenn Zuchttiere gebrannt sind, gebe ich sie nicht weg, dann bleiben sie hier, und ich gebe erst die Lämmer ab. So, komm, hier ist gleich mein Lager. Ziemlich primitiv, aber ich will keine Hütte bauen. Falls sich doch mal ein Viehhirte hierher verirrt.« McKenzie führte Fleurette zu einem Zelt und einer Feuerstelle. »Du kannst dein Pferd da anbinden, ich hab Seile zwischen den Bäumen gespannt. Da ist reichlich Gras, und mit dem Maultier soll es sich wohl vertragen. Ein schönes Pferd. Verwandt mit Gwyns Stute?«
Fleurette nickte. »Ihre Tochter. Und Gracie hier ist Cleos Tochter. Natürlich sieht sie ihr ähnlich.«
McKenzie lachte. »Das reinste Familienzusammentreffen. Friday ist auch Cleos Tochter. Gwyn hat sie mir zum Abschied geschenkt ...«
Wieder der zärtliche Ausdruck in seinen Augen, wenn er von Gwyneira sprach.
Fleur überlegte. Die Sache mit ihrer Zeugung sollte eine Geschäftsbeziehung gewesen sein? James’ Gesicht sprach eine andere Sprache. Und Gwyneira hatte ihm zum Abschied einen Welpen geschenkt – wo sie mit Cleos Nachwuchs doch sonst so eigen war. Für Fleur ließ das tief blicken.
»Meine Mutter muss Sie ziemlich gemocht haben ...«, meinte sie vorsichtig.
James zuckte die Achseln. »Vielleicht nicht genug ... Aber nun erzähl, Fleur, wie geht es ihr? Und dem alten Warden? Der junge ist ja tot, hörte ich. Aber du hast einen Bruder?«
»Ich wünschte, ich hätte keinen!«, stieß Fleurette heftig hervor und wurde sich im gleichen Moment der erfreulichen Tatsache bewusst, dass Paul ja nur ihr Halbbruder war.
McKenzie lächelte. »Also die lange Geschichte. Magst du Tee, Fleur, oder lieber Whiskey?« Er entfachte das Feuer neu, setzte Wasser auf und nahm eine Flasche aus einer seiner Satteltaschen. »Tja, ich werde mir jetzt einen genehmigen. Auf den Schreck mit dem Geist!« Er goss Whiskey in ein Trinkgeschirr und prostete ihr zu.
Fleurette überlegte. »Einen kleinen Schluck«, sagte sie dann. »Meine Mutter sagt, manchmal wirkt es wie Medizin ...«
James McKenzie war ein guter Zuhörer. Er saß gelassen am Feuer, als Fleur die Geschichte von Ruben und Paul erzählte, von Beasley und Sideblossom und davon, dass sie auf keinen Fall einen von ihnen zum Mann haben wollte.
»Dann bist du jetzt also auf dem Weg nach Queenstown«, schloss er schließlich. »Um deinen Ruben zu suchen ... Herrgott, wenn deine Mutter damals mal so viel Schneid gehabt hätte ...« Er biss sich auf die Lippen, sprach dann aber ruhiger weiter. »Wenn du magst, können wir ein Stück zusammenreiten. Die Sache mit Sideblossom klingt nicht ungefährlich. Ich denke, ich bringe die Schafe nach Dunedin und verschwinde für ein paar Monate. Mal sehen, vielleicht
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