Im Land Der Weissen Wolke
meinem Hund. Das schwöre ich, so wahr mir Gott helfe.«
»Und wer war dann der Mann, der bei Ihrer Verhaftung mit Ihnen zusammen war?«, erkundigte sich der Richter. »Manche meinen ja auch, es sei eine Frau gewesen ...«
McKenzie nickte mit gesenktem Kopf. »Ja, richtig, Euer Ehren.«
Gwyneira fuhr zusammen. Also doch eine Frau! James hatte also geheiratet oder zumindest mit jemandem zusammengelebt. Dabei ... als er sie eben so angesehen hatte ... eben noch hatte sie gedacht ...
»Was soll das heißen, ›ja, richtig‹?«, fragte Sir Justice unwillig. »Ein Mann, eine Frau, ein Geist?«
»Eine Frau, Euer Ehren«, McKenzie hielt den Kopf immer noch gesenkt. »Ein Maori-Mädchen, mit dem ich zusammenlebte.«
»Und dem gibste das Pferd, wenn du selbst auf ’m Muli sitzt, und dann reitet es weg wie der Teufel?«, rief jemand aus dem Saal, was Gelächter auslöste. »Das kannste deiner Großmutter erzählen!«
Richter Stephen rief die Zuhörer zur Ruhe.
»Ich muss gestehen«, bemerkte er dann, »dass die Geschichte auch in meinen Ohren ein wenig seltsam klingt.«
»Das Mädchen war mir kostbar«, sagte McKenzie ruhig. »Das ... das Wertvollste, das mir je begegnet ist. Ich würde ihr immer das beste Pferd geben, ich würde alles für sie tun. Ich würde mein Leben für sie geben. Und warum sollte ein Mädchen nicht reiten können?«
Gwyneira biss sich auf die Lippen. Also hatte James tatsächlich eine neue Liebe gefunden. Und wenn er das hier überlebte, würde er zu seinem Mädchen zurückkehren ...
»Aha«, meinte der Richter trocken. »Ein Maori-Mädchen. Hat das schöne Kind auch einen Namen und einen Stamm?«
McKenzie schien kurz zu überlegen. »Sie gehört zu keinem Stamm. Sie ... es würde zu weit führen, das hier zu erklären, aber sie stammt aus der Vereinigung eines Mannes und einer Frau, die nie in einem Gemeinschaftshaus das Lager teilten. Ihre Verbindung war trotzdem gesegnet. Sie erfolgte, um ... um ...« Er suchte Gwyneiras Blick. »Um die Tränen eines Gottes zu trocknen.«
Der Richter runzelte die Stirn. »Also, um eine Einführung in heidnische Zeugungszeremonien hatte ich eigentlich nicht gebeten. Es sind Kinder im Saal! Das Mädchen war also von seinem Stamm verbannt und namenlos ...«
»Nicht namenlos. Ihr Name ist Pua ... Pakupaku Pua.« McKenzie sah Gwyn in die Augen, als er diesen Namen nannte, und sie hoffte, dass niemand sie jetzt ansah, denn sie wurde abwechselnd blass und rot. Wenn es stimmte, was sie zu verstehen glaubte ...
Als das Gericht sich ein paar Minuten später zur Beratung zurückzog, eilte sie durch die Reihen, ohne sich vorher bei Gerald oder Sideblossom zu entschuldigen. Sie brauchte jemanden, der ihr das hier bestätigte, jemand, der besser Maori sprach als sie. Außer Atem fand sie sich Reti gegenüber.
»Reti! Was für ein Glück, dass Sie da sind! Reti, was ... was bedeutet pua? Und pakupaku? «
Der Maori lachte. »Das sollten Sie nun aber wirklich wissen, Miss Gwyn. Pua heißt Blume, und pakupaku ...«
»Heißt klein ...«, flüsterte Gwyneira. Sie hatte das Gefühl, vor Erleichterung schreien, weinen, tanzen zu müssen. Aber sie lächelte nur.
Das Mädchen hieß Kleine Blume. Jetzt verstand Gwyn, was McKenzies beschwörender Blick ihr hatte sagen wollen. Er musste Fleurette gefunden haben.
James McKenzie wurde zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt, abzusitzen im Gefängnis von Lyttelton. Seinen Hund durfte er natürlich nicht bei sich behalten. John Sideblossom sollte sich um das Tier kümmern, sofern er Wert darauf legte. Richter Stephen war das völlig gleichgültig. Das Gericht, so betonte er nochmals, sei nicht zuständig für Haustiere.
Was folgte, war hässlich. Die Gerichtsdiener und der Police Officer mussten McKenzie mit Gewalt von Friday wegreißen. Die Hündin ihrerseits biss Sideblossom, als er sie anleinte. Paul erzählte hinterher voller Schadenfreude, der Viehdieb habe geweint.
Gwyneira hörte ihm gar nicht zu. Sie wohnte auch der Urteilsverkündung nicht bei, dazu war sie zu aufgewühlt. Paul würde Fragen stellen, wenn er sie so sah, und sie fürchtete seine oft erschreckende Intuition.
Stattdessen wartete sie draußen unter dem Vorwand, frische Luft und ein wenig Bewegung zu brauchen. Um der Menge zu entgehen, die vor dem Gerichtsgebäude auf das Urteil wartete, schlenderte sie um den Saal herum – und hatte dabei unversehens eine letzte Begegnung mit James McKenzie. Der Verurteilte wand sich im Griff zweier
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