Im Land Der Weissen Wolke
aber mit glänzenden Wangen. Genauso etwas hatte er gehofft: Für Gwyneira kam sein Antrag zwar überraschend, aber sie war sicher nicht abgeneigt. Gespannt richtete sie ihre faszinierend blauen Augen auf den Mann, der auf so ungewöhnliche Weise um sie geworben hatte.
»Gibt es vielleicht ein Bild oder so?« Gwyneira hielt sich nicht mit Vorgeplänkel auf, sondern kam gleich zur Sache. Warden fand sie heute genauso entzückend wie gestern. Ihr schlichter blauer Rock betonte ihre schlanke Figur, die Rüschenbluse ließ sie erwachsener wirken, doch mit dem Aufstecken ihrer prachtvollen roten Mähne hatte sie sich diesmal keine Mühe gemacht. Ihre Zofe hatte nur zwei Strähnen mit einem blauen Samtband am Hinterkopf zusammengebunden, um ihrer Herrin das Haar aus dem Gesicht zu halten. Ansonsten fiel es lockig und offen bis tief über Gwyneiras Rücken.
»Ein Bild?«, fragte Gerald Warden verblüfft. »Na ja ... Lagepläne ... Eine Zeichnung hätte ich da, weil ich einige Details des Hauses noch mit einem englischen Architekten besprechen wollte ...«
Gwyneira lachte auf. Sie wirkte kein bisschen erschüttert oder auch nur verängstigt. »Doch nicht von Ihrem Haus, Mr. Warden! Von Ihrem Sohn! Von ... äh, Lucas. Haben Sie nicht eine Daguerreotypie oder Fotografie?«
Gerald Warden schüttelte den Kopf. »Bedaure, Mylady. Aber Lucas wird Ihnen gefallen. Meine verstorbene Frau war eine Schönheit, und alle sagen, Lucas sei ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Und er ist groß, größer als ich, aber von schmalerer Gestalt. Er hat aschblondes Haar, graue Augen ... und er ist sehr gut erzogen, Lady Gwyneira! Hat mich ein Vermögen gekostet, einen Privatlehrer aus England nach dem anderen ... Manchmal meine ich, wir hätten es da ein wenig ... äh, übertrieben. Lucas ist ... nun, die Gesellschaft ist jedenfalls entzückt von ihm. Und Kiward Station wird Ihnen ebenfalls gefallen, Gwyneira! Das Haus ist nach englischen Vorbildern erbaut. Nicht die üblichen Holzhütten, nein, ein Herrenhaus, errichtet aus grauem Sandstein. Alles vom Feinsten! Und die Möbel lasse ich aus London kommen, von den besten Tischlereien. Ich habe extra einen Dekorateur mit der Auswahl betraut, um ja nichts falsch zu machen. Sie werden nichts vermissen, Mylady! Natürlich ist das Personal nicht so gut geschult wie Ihre hiesigen Zofen, aber unsere Maoris sind willig und lassen sich anlernen. Wir können auch gern einen Rosengarten anlegen, wenn Sie möchten ...«
Er hielt inne, als Gwyneira das Gesicht verzog. Der Rosengarten schien sie eher abzuschrecken.
»Könnte ich Cleo mitbringen?«, erkundigte sich das Mädchen. Die kleine Hündin hatte still unter dem Tisch gelegen, hob jetzt aber den Kopf, als sie ihren Namen hörte. Mit dem Gerald nun schon bekannten, anbetenden Collie-Blick sah sie zu Gwyneira auf.
»Und Igraine auch?«
Gerald Warden überlegte kurz, bevor ihm einfiel, dass Gwyneira von ihrer Stute sprach.
»Gwyneira, doch nicht das Pferd!«, mischte Lord Silkham sich grimmig ein. »Du benimmst dich wie ein Kind! Hier geht es um deine Zukunft, und du machst dir nur Gedanken um dein Spielzeug!«
»Du betrachtest meine Tiere als Spielzeuge?«, fuhr Gwyneira auf, sichtlich gekränkt von der Bemerkung ihres Vaters. »Einen Hütehund, der jeden Wettbewerb gewinnt, und das beste Jagdpferd von Powys?«
Gerald Warden sah seine Chance. »Mylady, Sie können alles mitbringen, was Sie sich wünschen!«, begütigte er und ergriff damit Gwyneiras Partei. »Die Stute wird eine Zierde meiner Ställe sein. Allerdings sollten wir darüber nachdenken, dann auch noch einen passenden Hengst zu erwerben. Und die Hündin ... nun, Sie wissen ja, dass ich gestern schon Interesse angemeldet habe.«
Gwyneira wirkte immer noch erzürnt, doch sie beherrschte sich jetzt eisern und schaffte es sogar, zu scherzen.
»Das also steckt dahinter«, bemerkte sie mit einem spitzbübischen Lächeln, aber ziemlich kalten Augen. »Diese ganze Brautwerbung zielt nur darauf, meinem Vater den preisgekrönten Hütehund abzuluchsen. Nun verstehe ich. Aber ich werde Ihren Antrag dennoch wohlwollend prüfen. Womöglich bin ich Ihnen ja mehr wert als ihm. Zumindest scheinen Sie, Mr. Warden, ein Reitpferd von einem Spielzeug unterscheiden zu können. Erlauben Sie jetzt bitte, dass ich mich zurückziehe. Und du entschuldigst mich ebenfalls, Vater. Ich muss über das alles nachdenken. Wir sehen uns beim Tee, denke ich.«
Gwyneira rauschte hinaus, immer noch von unbestimmter,
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