Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land Der Weissen Wolke

Im Land Der Weissen Wolke

Titel: Im Land Der Weissen Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
...«
    Anna Lavender schien von dieser Lösung recht angetan. Erfreut betrachtete sie Dorothys deutlich kräftigere Gestalt.
    Doch Helen schüttelte den Kopf. »Das ist sehr christlich von dir, Dorothy«, erklärte sie mit einem Seitenblick auf die Lavenders und den Reverend. »Aber es löst das Problem nicht, sondern verschiebt es nur um einen Tag. Schließlich kommen morgen deine neuen Dienstherren, und dann müsste Laurie mit denen gehen. Nein, Reverend, Mr. Lavender – wir müssen eine Möglichkeit finden, die Zwillinge zusammenzulassen. Gibt es nicht zwei Nachbarfamilien, die Dienstmädchen suchen? Dann könnten die beiden sich wenigstens in ihrer freien Zeit sehen.«
    »Und tagsüber pausenlos nacheinander greinen!«, warf Mrs. Lavender ein. »Kommt nicht in Frage. Ich nehme dieses Mädchen oder ein anderes. Aber nur eins.«
    Helen blickte den Reverend Hilfe suchend an. Der aber machte keine Anstalten, sie zu unterstützen.
    »Im Grunde kann ich Mrs. Lavender nur Recht geben«, meinte er stattdessen. »Je früher man die Mädchen trennt, desto besser. Also hört zu, Laurie und Mary. Gott hat euch zusammen in dieses Land geführt, was schon gnädig von ihm war – er hätte auch nur eine erwählen und die andere in England lassen können. Aber nun führt er euch auf verschiedene Pfade. Das bedeutet keine Trennung für immer, sicher werdet ihr euch bei der Sonntagsmesse oder zumindest bei hohen Kirchenfesten wiedersehen. Gott ist euch wohl gesonnen und weiß, was er tut. Uns ist die Pflicht auferlegt, seinen Geboten zu folgen. Du wirst den Lavenders eine gute Magd sein, Laurie. Und Mary geht morgen mit den Willards. Beides sind gute, christliche Familien. Man wird euch angemessen zu essen geben, euch kleiden und zu christlicher Lebensführung anhalten. Es gibt nichts zu befürchten, Laurie, wenn du jetzt brav mit den Lavenders gehst. Wenn es aber gar nicht anders geht, wird Mr. Lavender dich züchtigen.«
    Mr. Lavender sah ganz und gar nicht wie ein Mann aus, der kleine Mädchen schlagen würde. Im Gegenteil, er blickte mit ausgesprochenem Mitgefühl auf Mary und Laurie.
    »Schau, Kleine, wir wohnen hier in Christchurch«, wandte er sich jetzt beruhigend an das schluchzende Kind. »Und alle Familien aus dem Umkreis kommen ab und zu her, um einzukaufen und die Messe zu hören. Ich kenne die Willards nicht, aber wir können bestimmt mit denen in Verbindung treten. Wenn sie dann herkommen, geben wir dir frei, und du kannst einen ganzen Tag mit deiner Schwester verbringen. Ist dir das nicht ein Trost?«
    Laurie nickte, doch Helen fragte sich, ob sie wirklich verstand, um was es hier ging. Wer wusste, wo diese Willards lebten – es war kein gutes Zeichen, dass Mr. Lavender sie nicht einmal kannte! Und würden sie ebenso viel Verständnis für ihr kleines Dienstmädchen aufbringen wie er? Würden sie Mary überhaupt mit in die Stadt bringen, wenn sie nur gelegentlich zum Einkaufen anreisten?
    Laurie schien jetzt jedenfalls übermannt von ihrer Erschöpfung und Trauer. Sie ließ sich widerspruchslos von ihrer Schwester wegziehen. Dorothy reichte Mr. Lavender ihr Bündel. Helen küsste sie zum Abschied auf die Stirn.
    »Wir schreiben dir alle!«, versprach sie.
    Laurie nickte teilnahmslos, und Mary weinte immer noch.
    Helen zerriss es das Herz, als die Lavenders die Kleine hinausführten. Und zu allem Überfluss hörte sie dann auch noch, wie Daphne Dorothy etwas zuflüsterte.
    »Ich hab dir ja gesagt, dass Miss Helen nichts machen kann!«, raunte das Mädchen. »Die ist nett, aber der geht’s genau wie uns. Morgen kommt ihr Kerl und holt sie ab, und sie muss mit diesem Mr. Howard gehen, so wie Laurie mit ihren Lavenders ...«
    In Helen wallte Ärger auf, wich aber schnell einem brennenden Gefühl der Unruhe. Daphne hatte nicht Unrecht. Was würde sie tun, wenn Howard sie nicht heiraten wollte? Was geschah, wenn er ihr nicht gefiel? Nach England konnte sie nicht zurück. Und ob es hier tatsächlich Stellen für Gouvernanten oder Lehrerinnen gab?
    Helen wollte nicht länger darüber nachdenken. Sie hätte sich am liebsten in irgendeiner Ecke verkrochen und geweint, wie sie es als kleines Mädchen getan hatte. Aber damit war es vorbei gewesen, als ihre Mutter gestorben war. Von da an hatte sie stark sein müssen. Und das bedeutete jetzt, sich geduldig der alten Dame vorstellen zu lassen, die anscheinend wegen Elizabeth gekommen war.
    Der Reverend stellte sich schon mal in Positur. Immerhin schienen sich hier keine

Weitere Kostenlose Bücher