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Im Land des Eukalyptusbaums Roman

Titel: Im Land des Eukalyptusbaums Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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an, daß es der Vater und Ehemann war. Die Frau tat ihr leid, sie wirkte vollkommen erschöpft und unfähig, Wiedersehensfreude zu zeigen.
    Der Ort bestand lediglich aus drei Gebäuden: das Julia-Creek-Hotel, eine Schmiede mit Stallungen und ein kleiner, einem Wohnhaus angeschlossener Lebensmittelladen. Tierman verschwand, und Nola blieb auf der niedrigen, schmalen Veranda des Hotels stehen. Ringsum waberten Wolken aus rötlichem Staub. Was sie am meisten irritierte, war die absolute Stille. Nur ab und zu ließ sich das Summen der allgegenwärtigen Fliegenschwärme oder vereinzelte Krächzer eines Vogels vernehmen, dann war alles wieder ruhig. Ein bißchen zu ruhig vielleicht. Nola hatte keine Ahnung, ob der Kutscher zurückkommen und ihr beim Abladen des Gepäcks behilflich sein würde. Schließlich erledigte sie es selbst, setzte sich auf ihre Kiste und nahm die Gegend in Augenschein.
    Am anderen Ende der Veranda führte eine Schwingtür in die Kneipe des Hotels. Ab und zu drangen laute Stimmen nach draußen; ein Betrunkener lehnte an der Wand und achtete nicht auf die Fliegen, die über sein Gesicht krabbelten. Nicht weit davon standen sechs Pferde an einen Querpfosten gebunden und verscheuchten die Fliegen mit ihren ständig peitschenden Schwänzen. Neben dem Wirtshaus saßen mehrere Aborigines – Männer, Frauen und Kinder – sowie drei räudige Hunde im Schatten der Bäume und musterten Nola mit ihren dunklen, unergründlichen Augen. Als Nola sie entdeckte, bekam sie zuerst einen Schreck, weil ihr die Warnung des Kutschers einfiel. Doch die Menschen sahen nicht aus, als wollten sie ihr etwas zuleide tun. Selbst auf einen oberflächlichen Betrachter machten sie einen trägen, apathischen Eindruck, als spiele die Zeit in ihrem Alltagsleben keine Rolle. IhreUmgebung schienen sie kaum zur Kenntnis zu nehmen, nicht einmal eine weißhäutige Lady mit feuerrotem Gesicht und ungepflegtem, windzerzaustem Haar. Nola wollte sie nicht unhöflich anstarren, aber ihre mageren, hochgewachsenen Körper und das krause Haar faszinierten sie.
    Nola überlegte schon, wie sie die Aborigines ansprechen könnte, als Tierman aus der Kneipe kam. An seiner Oberlippe klebte noch der Schaum von seinem Bier.
    »Donnerwetter, die kleine Erfrischung hatte ich bitter nötig!« Er stieß laut auf, und Nola zuckte zusammen.
    »Kommen Sie doch mit hinein, Miss Grayson!«
    »Mein Gepäck, Mr. Tierman ...«
    »Das hol’ ich gleich, Sekunde noch ...« Daß sie es selbst abgeladen hatte – sogar die Seekiste, die außerordentlich schwer war –, würdigte er keines Kommentars.
    »Ist das denn unbedenklich? Meine ganzen Schulbücher sind in der Kiste.«
    Tierman runzelte die Stirn. »Wir sind doch nicht in London. Wer sollte hier schon Ihr Gepäck klauen?«
    »Vielleicht jemand, der zufällig vorbeikommt? Keine Ahnung!«
    Tierman lachte schallend. »Hier kommt die ganze Woche niemand mehr vorbei, bis ich dieselbe Route wiederkomme, glauben Sie mir!« Er warf den Aborigines einen Blick zu. »Von denen haben Sie nichts zu befürchten. Sie können gar nicht lesen und haben vermutlich noch nie ein Buch gesehen. Wenn ich so drüber nachdenke, kann ich ja selbst kaum lesen.«
    Nola kam sich unsagbar dumm vor. So vieles hatte sie noch zu lernen! Wieder spähte sie zu den Aboriginesund fragte sich, ob sie wohl gerne lesen lernen würden. Vielleicht war es hochinteressant, ihnen etwas beizubringen, oder gar von ihnen zu lernen!
    »Sie sind doch bestimmt völlig verdurstet«, erklärte Tierman, während er sie zum Haupteingang des Hotels führte. Von dort kamen sie in einen privaten Salon.
    »Bin ich auch, um die Wahrheit zu sagen«, nickte Nola.
    Nach dem hellen Sonnenlicht im Freien wirkte es hier drinnen schmuddelig und düster. Eine Frau trat auf sie zu.
    »Esther, hier ist die Dame, von der ich erzählt habe.« Tierman drehte sich zu Nola um. »Esther ist die Inhaberin des Hotels ...«
    Wie die meisten hierzulande bedachte auch Esther sie mit einem neugierigen Blick.
    »Seit mein Mann tot ist, Kleine!« fügte sie mit schleppendem australischen Akzent hinzu. »Nicht, daß er viel getaugt hätte. Hat zuviel getrunken, um irgendwem von Nutzen zu sein.«
    Vorsichtshalber strich sich Nola mit den Fingern durchs Haar, aber die Frau wunderte sich offenbar nicht über ihr verwahrlostes Äußeres. Vielleicht, weil ihr braunes Haar selbst nicht gekämmt und zu einem Knoten zusammengebunden war, dachte Nola. Ihre Haut wirkte trocken, war faltig und voller

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