Im Land des Eukalyptusbaums Roman
eine Teetasse in der Hand hielt. Neben Esther stand ein Tablett auf dem Tisch. »Eigentlich nicht, aber ich habe eine Bestellung aufgegeben. Orval bot mir freundlicherweise an, die Sachen vorbeizubringen.«
»Der freut sich, wenn er von Gladys wegkommt. Die Frau kann ein Loch in die Wand reden.«
»Sie plaudert nun mal gern.«
»Hank hätte dich vorwarnen sollen, Kleine«, mischtesich Esther ein. Sie warf ihm einen vorwurfsvollen, aber augenzwinkernden Blick zu. Nola fragte sich, ob die beiden eine Beziehung miteinander hatten.
»Alle Frauen mögen Klatsch, dachte ich?!« verteidigte er sich.
Esther hob die Brauen. »Du solltest die Männer mal hören – an der Theke!«
»Wo wir gerade von der Theke sprechen, Hank«, erkundigte sich Nola, »wieso sind Sie nicht drinnen, bei den Kollegen aus der Boulia-Farm?«
»Die sind alle in Winton.«
»Alle Welt ist heute dort«, setzte Esther indigniert hinzu. »Hier ist so viel los wie im Leichenschauhaus!«
Nola setzte sich neben Hank, und Esther schenkte ihr einen Tee ein. »Was ist denn los in Winton?«
»Eine Tanzveranstaltung. – Ich hatte ganz vergessen, daß sie dieses Wochenende ist«, setzte Hank enttäuscht hinzu.
Daß er gern mitgegangen wäre, war offensichtlich.
»Wenn irgendwo Tanz ist, weiß hier jeder Bescheid«, warf Esther dazwischen. »In den großen Städten gibt’s das jedes Jahr einmal. Und die Leute strömen von überallher zusammen.«
»Warum organisieren Sie nicht selbst einmal so etwas, Esther?« schlug Nola vor.
Esther runzelte überrascht die Stirn. Hank auch. »Aber wie? Wir können doch nicht auf allen Höfen Bescheid sagen«, warf Esther ein. »Die liegen viel zu weit auseinander.«
»In London werden solche Veranstaltungen mit Plakaten angekündigt. Man könnte mehrere hier aufhängen, draußen und in der Bar, und im Laden auch. Schicktauch welche nach Winton. Tierman ist sicher bereit, sie auf seiner Postkutschentour zu verteilen. Und der Post könnte man notfalls kleinere Flugzettel beilegen. Schließlich wird die Post doch jedesmal von Leuten aus der Farm abgeholt, oder?«
»Richtig!« Esthers Interesse war plötzlich erwacht. »Gladys würde bestimmt mitmachen. Es wäre ja auch gut für ihr Geschäft. Allerdings weiß ich gar nicht, wie man so ein Plakat macht ...«
»Ich werde eins für Sie malen, dann können Sie es vervielfältigen. Heute abend fange ich damit an. Wann möchten Sie ihr erstes Tanzfest feiern?«
»Ach, ich weiß nicht ...« Esther war ganz aus dem Häuschen. »Weihnachten vielleicht? Dann haben alle frei!« Sie wandte sich zu Hank um. »Was hältst du davon?«
»Klingt gut.«
»Am Weihnachtsabend also!« rief Nola. »Hank kann das Plakat nächsten Samstag in die Stadt mitbringen. Und Sie hätten zweieinhalb Monate Zeit zur Vorbereitung. Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, sagen Sie einfach Bescheid.«
»Danke, Kleines!«
Als Hank und Nola die Stadt verließen, war Esther schon dabei, Pläne zu schmieden – für das allererste Tanzfest in Julia Creek.
6
N ach dem Essen nahm sich Nola die Näharbeit mit auf die Veranda. Die Kinder spielten Karten mit Hank. Wäre es Poker gewesen, hätte sie sogar mitgemacht. Shannon war schon zu Bett gebracht worden; Galen hatte schon vor über einer Stunde einen Teller mit dem Abendessen zu Langford Reinhart gebracht und war seither nicht wieder aufgetaucht.
Die Abende auf der Farm waren ganz angenehm, von den Stechmücken einmal abgesehen, die auf jeden Quadratzentimeter nackte Haut lauerten. Dem flammenden, raschen Sonnenuntergang folgte gewöhnlich eine sanfte, warme Brise, die nach der drückenden Tageshitze sehr willkommen war. Nola lauschte, wie der Wind in die Blätter der Eukalyptausbäume fuhr, die das ausgetrocknete Bett eines Baches säumten. Neben dem Bach stand eine Windmühle, die einst Wasser aus einer unterirdischen Ader in einen Wassertank gepumpt hatte. Doch die Ader war irgendwann erschöpft gewesen, und der Tank fast leer. Auch neben dem eigentlichen Haupthaus stand ein Tank, der das Regenwasser vom Dach sammeln sollte. Inzwischen war dieser natürlich ebenfalls fast leer. Man hatte mehrere weitere Auffangbehälter gebaut, selbst neben der Hütte, aber der Regen, der sie füllen sollte, ließ auf sich warten.
Als es dunkel wurde, zündete Nola eine Lampe an, die Hunderte geflügelter Insekten anzog, darunter auch einige riesige Nachtfalter. Die Insekten lockten wiederum die Geckos an, kleine Eidechsen, die über Mauern und auf das Dach der
Weitere Kostenlose Bücher