Im Land des Eukalyptusbaums Roman
Begabung«, verkündete Shannon.
»Begabung? Was denn für eine Begabung?« Er zog die Stirn kraus.
»Er kann unterirdisches Wasser finden«, erklärte Keegan. »Miss Grayson nennt ihn einen ... Wünschelrutengänger, oder so.«
»Ein Wünschelrutengänger?« Seine Stimme wurde laut. »Sie ist in die Stadt gefahren, um einen Wünschelrutengänger zu holen?« Langford rappelte sich auf. Im selben Moment hörte er die Hintertür und Nolas Stimme.
»Shannon! Keegan! Wo seid ihr?« Nola kam lächelnd in die Diele gestürzt. So düster es hier auch war, ihre Augen strahlten vor Glück.
Shannon und Keegan rannten ihr entgegen. »Ich habe wunderbare Neuigkeiten, Kinder!« Sie hockte sich hin und nahm beide Kinder in die Arme. »Wir haben Wasser gefunden. Jede Menge Wasser! Euer Vater wird überglücklich sein.« Stehend wirbelte sie die Kinder herum, und sie lachten aus purer, ungetrübter Freude.
Langford stand im Türrahmen und bebte vor Wut. »Was unterstehen Sie sich, ohne meine Erlaubnis einen Wünschelrutengänger auf mein Grundstück zu holen?«
Nola hatte damit gerechnet, daß er verärgert sein würde, aber sie war vollkommen überrascht, daß er vor Zorn regelrecht bebte.
»Ich habe es getan, um die Farm zu retten! Sie solltenzufrieden sein. Jetzt haben wir eine Chance, durchzuhalten!«
»Wen haben Sie hergebracht?« brüllte er, und die Kinder zuckten ängstlich zusammen.
»Ist das denn so wichtig?«
»Wen!« herrschte er sie an.
Nola wich einen Schritt zurück. »Es besteht keine Veranlassung, mich derart anzubrüllen im Beisein der ...«
Bedrohlich rückte er ihr zu Leibe. »Ich habe Sie etwas gefragt! Antworten Sie!«
»Wade Dalton«, hauchte sie, ohne zu begreifen, was das ausmachen sollte.
Seine Augen weiteten sich beängstigend, und er wurde leichenblaß.
»Morgen früh werden Sie die Farm verlassen und nie wiederkehren. Haben Sie verstanden? Ich will, daß Sie verschwinden ... für immer!«
Der Ausdruck seiner Stimme jagte selbst Nola einen Schreck ein. Shannon fing an zu weinen und vergrub das Gesicht in Nolas Kleidern. Keegan umklammerte ihre Hand so fest er konnte.
Nola nahm die Kinder und verließ das Haus. Das Glücksgefühl, das sie noch vor ein paar Minuten verspürt hatte, war restlos dahin. Langford Reinhart meinte, was er sagte. Morgen würde sie gehen müssen.
8
N ola sah aus dem Fenster der Hütte und nahm die ganze, fast schmerzhaft empfundene Schönheit ringsum in sich auf. Es war ein atemberaubendes Schauspiel, als die ersten Strahlen der Sonne über den Horizont blinkten und ein diffuses Licht über die dürre Ebene warfen. Der erste Hauch der Dämmerung tunkte den Himmel in sanftes Rosa, hier und da von einem farbigen Streifen durchzogen, wenn ein Schwarm Vögel durch die kühle Morgenluft segelte.
Die Teetasse in der Hand, trat Nola auf die Veranda. Sie wollte in die Stille ›hineinlauschen‹. Bevor sie hierher gekommen war, in die grenzenlosen Weiten dieses Landes, hatte sie nie soviel Ruhe erlebt, und würde sie vermutlich nirgends mehr finden.
Minutenlang war wirklich alles vollkommen still. Dann hörte sie das leise Glucken der Hühner, das Krächzen eines Kakadus im fernen Eukalyptuswäldchen. Kurze Zeit später muhte eine Kuh, und ein Pferd schnaubte. Wieder senkte sich die Stille über das Land. Hier gab es niemanden, der Lärm machte. Kein Klappern von Droschkenrädern auf Kopfsteinpflaster, keine Trödler, die ihre Ware feilboten. Keine ungeduldigen Kutscher, die über ein Hindernis fluchten, keine Bettler, keine Schritte auf dem Bürgersteig. Friedliche, ungestörte Ruhe!
Ihre eigene Seelenruhe war allerdings erschüttert, wenn sie an den vergangenen Abend dachte, an Shannons Tränen und Keegans Verzweiflung. Es krampfte ihr förmlich das Herz zusammen. Wie sehr würde sie die Kinder vermissen, und die Farm – mehr, als sie je geglaubt hätte. Im australischen Outback hatte sie etwas entdeckt, was in den vornehmen englischen Villen fehlte. Das Gefühl der Zugehörigkeit. Den Eindruck, daß sie im Leben der Hartford-Kinder eine wichtige Rolle spielte, die ihrerseits ebenso wichtig für ihr Leben geworden waren. Dann erfaßte sie die Ironie ihrer Überlegungen: Langford Reinhart war entschlossen, ihr die ›Zugehörigkeit‹ zu verweigern. Und sie war sich nicht sicher, wie Galen darüber dachte.
In den Häusern der Reichen, ihren Stadtvillen ebenso wie den schloßähnlichen Anwesen auf dem Land, hatte sich Nola mehr wie ein lebendes Inventar gefühlt,
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