Im Land des Falkengottes. Amenophis
Pfeil auf eine gerade auffliegende Wildgans ab, während die anderen Jäger Wurfhölzer nach Enten schleuderten.
Prinz Amenophis bemerkte, dass ich trotz unseres raschen Ganges aufmerksam die Bilder zu betrachten versuchte, und hielt kurz inne: «Die Bilder zeigen den Guten Gott bei der Jagd in der Oase Fajum. Du weißt ja, wir verbringen jedes Jahr mehrere Wochen in Merwer, und nur dort hat mein Vater genug Zeit, im Dickicht des Schilfes zu jagen. Weil er dieser Leidenschaft hier mitten in der Wüste nicht nachgehen kann, ließ er diese Bilder anbringen. Gefallen sie dir?»
«Oh ja, Prinz, sie sind wunderschön! Die Farben so prächtig, so naturgetreu. Und der Gute Gott. Wie herrlich und mächtig er ist!»
Während ich noch das Bild bestaunte, ging der Prinz bereits weiter, und ich musste mich beeilen, ihm zu folgen.
«Wir müssen wieder zum Unterricht!», klärte er mich über seine Eile auf. Als wir fast den Unterrichtssaal wieder erreicht hatten, sagte ich im Gehen: «Prinz Amenophis», – er blieb stehen und drehte sich nach mir um – «Prinz Amenophis, ich möchte Euch vielmals danken!» Dabei verneigte ich mich tief und mit vor der Brust gekreuzten Armen.
«Schon gut», sagte er, während er bereits den Unterrichtsraum betrat und die dort Anwesenden sich ebenfalls tief verneigten.
«Erhebt euch!», befahl der Prinz, und ehe der Unterricht seinen Fortgang nahm, bemerkte ich das auf das Höchste zufriedene Gesicht meines Vaters.
In den nächsten Tagen gab es natürlich keinen derart engen Kontakt mehr, aber ich spürte doch, dass Prinz Amenophis mir deutlich mehr Aufmerksamkeit schenkte, als vor diesem für mich so denkwürdigen Tag.
Unauffällig nahm er mich in den Unterrichtspausen beim Ballspiel in seine Mannschaft auf, oder er warf mir den Ball zu, obwohl sich ein anderer Mitspieler in einer besseren Position befand. Auch befragte er mich über mein Zuhause, was er vorher nie getan hatte.
In meinem Elternhaus war ich es jetzt, dem Fragen über den Prinzen und den Palast gestellt wurden. Man brachte mir mehr Respekt entgegen, man nahm mich ernster.
Teje hingegen war erstaunlich still und zeigte keine große Neugier. Sie tat gerade so, als kenne sie ohnehin schon alles,und aus ihrer Sicht war das ja auch konsequent. Schließlich hatte sie sich in der Vergangenheit so benommen, als ginge sie im Palast ein und aus.
Nach wenigen Monaten gehörte ich nun zum Kreis derjenigen Schüler, die regelmäßig Prinz Amenophis und seine Geschwister umgaben. Zwischenzeitlich hatte auch Prinz Amenemhet seinen Frieden mit mir gemacht. Eines Tages, wir saßen im Schatten einer der Sykomoren unseres Schulhofes und erholten uns vom Ballspiel, sprach er mich an: «Bist du mir noch böse?», und warf dabei mit einem kleinen Kiesel nach einem der Flamingos.
«Nein, Prinz Amenemhet, überhaupt nicht», konnte ich ganz freimütig entgegnen, hatte ich doch ihm und seinem Übermut meine jetzige Situation zu verdanken.
«Mir tut es Leid, wie ich mich benommen habe und vor allem, dass ich mich so lange nicht entschuldigt habe!»
«Die Geschichte ist längst vergessen», beruhigte ich ihn.
Er stand auf, ergriff meine rechte Hand und zog mich hoch, damit wir weiterspielen konnten. Nun war ich vollkommen zufrieden.
Mein erstes Schuljahr war nun vorüber. Während der Zeit der großen Hitze, da der große Fluss nicht mehr als ein Rinnsal ist, blieb die Schule für vier Wochen geschlossen.
Das ist die Zeit, in der Men-nefer wie ausgestorben ist. Der gesamte Hof und alle Großen und Mächtigen des Landes beziehen ihre Paläste und Landsitze im Fajum, der großen Oase im Westen.
Die einfache Bevölkerung, die Bauern und die Armen müssen während der Hitze viel erdulden, denn wenn die vorangegangene Ernte nicht gut ausgefallen ist, werden schnell die Vorräte knapp. Wenn dann die Verteilung schlecht durchgeführt wird, kommt es manchmal sogar zu Unruhen.
Der Wesir als Stellvertreter des Guten Gottes und die Beamten,die zur Aufrechterhaltung der Verwaltung und Ordnung zurückbleiben, haben in dieser Zeit alle Hände voll zu tun, um Mensch und Vieh mit ausreichend Getreide, Gemüse und Wasser zu versorgen.
In diesem Jahr gab es aber nichts zu befürchten. Gleichwohl waren wir nicht sehr glücklich darüber, dass es diesmal uns getroffen hatte, zu Hause zu bleiben. Als Vorsteher der Ställe seiner Majestät war mein Vater für die Pflege von mehr als zweitausend Pferden des Palastes, für die Wartung der
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